Jacob Pins Leben und Werk

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Der Holzschnitt im Werk von Jacob Pins –
Eine Leidenschaft

von Veronika Molnar, Paderborn

Titelholzschnitt: Self-Portrait with Japanese Print. 1951.
4 Blöcke. 500 × 391 mm

Das künstlerische Werk von Jacob Pins ist eng mit seiner Vita, seiner jüdischen Herkunft und Geschichte verbunden. Sie sind Bestandteil der Entstehungsgeschichte unserer Gegenwart und helfen uns die Erinnerung an diesen Teil der deutschen Geschichte wachzuhalten.

1917 wird Jacob Otto Pins in Höxter geboren und wächst in – vermeintlich – behüteten und gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Sein Vater Dr. Leopold Pins ist der örtliche Tierarzt, seine Mutter Ida, geborene Lipper, führt das traditionelle Textilgeschäft ihrer Eltern nach dem Tode ihres Bruders fort.
Leopold Pins entstammt einer alteingesessenen jüdischen Familie, die seit dem 17. Jahrhundert in Deutschland lebte. Er war Teilnehmer des Ersten Weltkrieges, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz. Ungeachtet des Wertverlustes, den diese, eine der höchsten Auszeichnungen aus dem 19. Jahrhundert für außergewöhnliche Verdienste für das deutsche Vaterland, erfuhr, genoss die Verleihung nach wie vor hohe gesellschaftliche Anerkennung.

Jacob Pins’ Familie blickt, wie jede jüdische Familie, auf Zeiten der Verfolgung und Vertreibung zurück. Und die Leidensgeschichte der Familie wird im 20. Jahrhundert durch den Holocaust im Dritten Reich in unvorstellbarer Weise fortgeführt.
Jacob Otto und sein Bruder Rudolph Leopold – kurz Rudi – besuchen das König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter. 1933 – im Jahr der politischen Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland – steht der Entschluss von Leopold und Ida fest, ihre Söhne aus Deutschland herauszubringen, und so verlässt Rudi bereits 1934 im Alter von 14 Jahren seine Heimat und emigriert in die USA. Jacob beendet die Schule mit der Mittleren Reife, um ihm zwei Jahre später in die Emigration zu folgen, allerdings nach Palästina. Rückblickend beschreibt Jacob Pins die damalige Situation:

„Im Herbst 1933, als Obersekundaner, verließ ich das Gymnasium, als mir klar wurde, dass ich dort keine Zukunft mehr hatte. Natürlich ist mir viel Schlimmes erspart geblieben, da ich Höxter Anfang 1935 verlassen habe, um mich in Stettin noch eineinhalb Jahre körperlich und fachlich auf das Leben in Palästina vorzubereiten. Im August 1936 kam ich noch einmal für kurze Zeit zurück, um zu packen und endgültig von meinen Eltern und Freunden Abschied zu nehmen. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass es ein Abschied für immer von meinen Eltern war, denn ich hatte geplant, dass sie mir möglichst bald nachfolgen sollten.“

1936 wandert Jacob – gerade einmal 19 Jahre alt – nach Palästina aus und verbringt die ersten Jahre im Kibbuz. 1941, nach dessen Schließung, geht er nach Jerusalem. Zu diesem Zeitpunkt vollzieht sich im Leben von Jacob Pins eine zentrale Wende. In dieser scheinbar ausweglosen Situation fasst Jacob den mutigen Entschluss, „gegen den Rat aller Freunde und Bekannten, einen alten Traum zu verwirklichen und Kunst zu studieren. […] Nur meinem westfälischen Dickkopp ist es zu danken, dass ich nicht aufgab und nach unendlichen Mühen erreichte, dass ich ein kleines Stipendium bekam“.

Dr. Landauer vom Deutschen Amt für Jüdische Angelegenheiten bietet ihm die Möglichkeit eine private Kunstschule bei einem deutschen Künstler, ebenfalls Emigrant, zu besuchen. So beginnt Jacob Pins sein Studium der Malerei und Graphik bei dem aus Berlin stammenden Professor Jacob Steinhardt. Im Monatsanzeiger der Nürnberger Museen und Ausstellungen als „der Prophet in der expressionistischen Avantgarde“ tituliert; Studienkollege von Lovis Corinth und Hermann Struck stößt Steinhardt zusammen mit Ludwig Meidner zu den Expressionisten vor und widmet sich schwerpunktmäßig den graphischen Künsten, im Besonderen dem Holzschnitt.

Der Holzschnitt erfuhr bekanntlich durch die verschiedenen expressionistischen Künstlergruppen, wie z. B. die Blauen Reiter und vor allem durch die Künstler der Brücke aus Dresden, später in Berlin ansässig, eingangs des 20. Jahrhunderts eine Renaissance. Trotz zahlreicher technischer Neuheiten in der künstlerischen Druckgraphik konnte sich der Holzschnitt bis in die Gegenwart konstant behaupten bzw. wurde als eine der ältesten druckgraphischen Disziplinen immer wieder neu entdeckt und neu erfunden.

Jacob Pins steht als Schüler von Steinhardt sichtbar in dessen Nachfolge. Er wählt, wie sein Lehrer, sowohl die Sprache der deutschen Expressionisten als auch das Medium der Graphik als sein bevorzugtes Ausdrucksmittel.

Der Einfluss lässt sich durch mehrere Umstände erklären. Wie bereits erwähnt, stammt Steinhardt aus der Kulturmetropole Berlin, deren Kunstakademie eine der traditionell führenden in Deutschland ist. Als sich Pins entschließt, seinen Traum wahrzumachen und Malerei zu studieren, findet er in dem Berliner Künstler einen Lehrer, der ihm eine klassische akademische Ausbildung in den Bildenden Künsten garantiert. Zudem spielt eine wesentliche Rolle, dass Steinhardt wie Pins jüdischer Herkunft ist. Bekannt durch seine Berliner Zeit – wo er im Kreise der Zionisten die Neubelebung der jüdischen Kultur thematisierte – prägt Steinhardt den jungen Pins nicht nur künstlerisch, sondern wird auch ein menschliches Vorbild für ihn, eine Identifikationsfigur. Die beiden verbindet bald auch eine private Freundschaft, die sie mit anderen Künstlern teilen, die vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen waren. Sie stellen eine Art Schicksalsgemeinschaft dar, die sich in Palästina stark solidarisiert. Sie führen die Traditionen im Exil fort und behalten den expressionistischen Stil bei – möglicherweise auch als stillen Protest und Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Denn ihre Kunst wird von den Nationalsozialisten als entartet deklariert, sie selbst verfolgt und ihre Werke werden zerstört oder veräußert.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich die starke Orientierung von Pins am Berliner Akademismus. Erstaunlich ist, dass Jacob Pins dem deutschen Expressionismus bis in die Gegenwart, bis zu seinem Tode am 4. Dezember 2005 treu geblieben ist.

Evening, Sea. 3 Druckstöcke. 265 x 800 mm
Self-Portrait with Red Sweater. 1996. 2 Druckstöcke. 568 x 388 mm
Self-Portrait with Red Sweater. 1996. 2 Druckstöcke. 568 x 388 mm

Nicht nur um der programmatischen Einführung willen, sondern beispielhaft für die Bedeutung des Expressionismus im Werk des Künstlers steht eingangs dieses Rundgangs das Selbstporträt im roten Pullover von 1996. Pins in Halbfiguransicht steht in einem roten Pullover und mit Krawatte am Tisch. Das Selbstbildnis zeigt ihn bei seiner typischen Arbeit am Druckertisch.

Seit den Reformatoren-Bildnissen von Lucas Cranach dem Älteren und Albrecht Dürer bis hin zu den „Köpfen“ von Erich Heckel oder Ernst Ludwig Kirchner, also vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, zählt das Porträt in Holz zum Genre-Klassiker. Die Porträts, die in der Technik des Holzschnitts entstehen – naturgemäß auf die wichtigsten Umrisslinien reduziert: Schwarz auf Weiß –, konzentrieren sich auf wesentliche Merkmale oder Charaktereigenschaften der Dargestellten:

Lady Wearing Gloves. 1992. 1 Druckstock. 560 x 283 mm
Lady Wearing Gloves. 1992. 1 Druckstock. 560 x 283 mm

Im Selbstporträt aus dem Jahr 1957 wie auch im Bildnis von der Dame mit Handschuhen (1964) sind es die scharfkantigen Gesichtszüge der Dargestellten, die uns en face, frontal, gegenüberstehen. Gemäß dem Expressionismus werden einzelne Aspekte der Persönlichkeiten überzogen; im Selbstporträt besonders augenfällig beispielsweise durch die herabgezogenen Mundwinkel, die überdimensionierten Ohren und die markante Brille von Pins mit ihren charakteristischen schwarz gefassten Rundgläsern.

In den Graphiken wie Der braune Hut, Grüne Augen (1992) sowie dem Selbstporträt im roten Pullover sind die Hüte, die Augen, die Handschuhe, Tisch und Druckplatte den Personen wie Attribute beigefügt. Die Farben werden symbolisch eingesetzt und steigern den emotionalen oder geistigen Ausdruck des Porträts. Dies wird u.a. auch durch die Wahl der Technik und ihre Ausführung erreicht.

Self Portrait. 1957. 500x400 mm
Self Portrait. 1957. 500x400 mm
The Brown Hat. 1992. 2 Druckstöcke. 280 x 295 mm
The Brown Hat. 1992. 2 Druckstöcke. 280 x 295 mm

Durch die kontrastreiche Arbeitsweise im Weißlinienschnitt modelliert Pins die Gesichter aus der dunklen Fläche heraus – holt, wie im Damenbildnis, das Gesicht in groben Schnitten mit dem Hohleisen aus dem Schatten hervor. Jeder einzelne Schnitt sowie das Material sind deutlich sichtbar: das Holz, seine Maserung und die spröde Widerspenstigkeit beim Schneiden. Sie werden in den künstlerischen Ausdruck mit einbezogen. Die Wahl einer groben, vereinfachten, ausdrucksstarken, sprich expressiven Arbeitsweise.

Herausragend sind neben den Porträts die Tierdarstellungen im graphischen Werk von Pins. Tiger, Pferde, Störche, der Stier und im besonderem Maße der Hahn sind seine speziellen Favoriten. Dies lässt sich vermutlich auf seine Kindheit in der elterlichen Tierarztpraxis zurückführen. Sie erinnern stark an die Werke der Künstlergruppe Der Blaue Reiter, insbesondere an die Tier- und Pferdedarstellungen von Franz Marc und Wassily Kandinsky.

Tiger. 1954. 2 Druckstöcke. 530 x 435 mm
Tiger. 1954. 2 Druckstöcke. 530 x 435 mm

Jacob Pins wählt seine Tiere wie beispielsweise den Stier oder den Hahn mit Bedacht. Der Hahn mit seinem feuerroten Kamm gilt wegen seines morgendlichen Schreis als ein Sonnen- und Lichtsymbol, begegnet uns als das heilige Tier der japanischen Sonnengöttin Amaterasu und des griechischen Lichtgottes Apollon.
Desgleichen der Stier, der nicht allein ein Symbol der Kraft ist, sondern die Kraft der Gottheit versinnbildlicht und das heilige Tier des Marduk darstellt, das „Kalb des Sonnengottes“.

Black Horses. 1964. 251 x 450 mm
Black Horses. 1964. 251 x 450 mm

Eine reiche Symbolik im Werk des Künstlers, die bereits starken Bezug auf die fernöstliche Kunst und Kultur nimmt.

White Rooster. 1979. 4 Druckstöcke. 600 x 390 mm
White Rooster. 1979. 4 Druckstöcke. 600 x 390 mm

Das zeichnerische und graphische Können von Pins gipfelt in der Illustration der hebräischen Ausgabe (1953) von Heinrich Kleists (1777-1811) Klassiker „Michael Kohlhaas“, der Geschichte eines betrogenen Pferdehändlers, ein wichtiges Werk der Literaturgeschichte aus dem 19. Jahrhundert, in dem es um die Ehre, die Gerechtigkeit und die Menschenrechte geht. Begriffe, die den moralischen Anspruch und darüber hinaus das soziale Engagement des Künstlers verdeutlichen.

Bull. 1968. 2 Druckstöcke. 500 x 645 mm
Bull. 1968. 2 Druckstöcke. 500 x 645 mm

Jacob Pins bedient sich dafür einer großen Fülle an Geschichten und literarischen Vorlagen. Und natürlich bietet die Bibel selbst im Überfluss Geschichten und Gleichnisse an und mit ihnen ein großes Assortiment an Symbolen und Bildern, wie beispielsweise des Schreckens oder der Entbehrungen.

Damit verknüpfen sich auch Pins’ Erinnerungen an das Schicksal seiner im Konzentrationslager umgekommenen Eltern und an seine eigene Flucht aus dem nationaloszialistischen Deutschland sowie die folgende Zeit im Kibbuz, Erinnerungen, die ihn besonders intensiv und noch lange nach dem Ende des Krieges beschäftigen:
„Ich bin bereits im August 1936 nach dem damaligen Palästina ausgewandert und lebte bis 1941 im Kibbuz. Es war dies eine außerordentlich schwere Zeit. Wir hatten noch keinen eigenen Boden und lebten als Tagelöhner von der Außenarbeit in den Citrusplantagen. Es war eigentlich eine Saisonarbeit, hauptsächlich im Winter zur Ernte, während der Sommer ständig Arbeitslosigkeit brachte […] Die Wirtschaftslage verschlimmerte sich mit dem Ausbruch des Weltkrieges, da der Export von Orangen nach Europa eingestellt wurde. Wir hatten nicht mehr genug zu essen und litten buchstäblich Hunger. Fast noch mehr litten wir unter der Arbeitslosigkeit“.

Diese Endzeitstimmung greift Pins programmatisch mit der Holzschnittserie aus der Offenbarung Johannes auf, der Apokalypse aus dem Jahr 1946, die in einer Folge von fünf Graphiken erzählt wird. Seit den weltberühmten Holzschnitten von Albrecht Dürer aus dem 15. Jahrhundert ist sie eine der meistzitierten Darstellungen des Jüngsten Gerichts in der Kunstgeschichte.

The Horse of Plague. 340 x 430 mm
The Horse of Plague. 340 x 430 mm

Die Pinsschen apokalyptischen Reiter, die Pest, der Krieg und der Tod, verwüsten in Gestalt fantastischer Wesen – halb Pferd, halb Drache – die Erde und fallen über die Menschheit her. Das Finale spielt sich vor den Toren der in Flammen stehenden Apokalyptischen Stadt ab.

Conclusion: Apocalyptic City. 1946. 4 Druckstöcke. 600 x 390 mm
Conclusion: Apocalyptic City. 1946. 4 Druckstöcke. 600 x 390 mm

Ein wiederum im Weißlinienschnitt düster inszeniertes Inferno mit flüchtenden Menschen und einstürzenden Häusern.

Und in gleicher Weise benutzt Jacob Pins ein anderes traditionelles Bild der Kunstgeschichte, ein Symbol, das für die Hinfälligkeit der menschlichen Würde und des Stolzes angesichts von Tod und Ewigkeit steht, den Makabren Tanz aus dem Jahr 1957. Der Spielmann – der personifizierte Tod – führt zum letzten Tanz. Die Menschen tanzen zum Klang der Musik des Todes; wandeln zwischen den Skelettierten und Toten: Le danse macabre.

The Old Clown. 1968. 440 x 320 mm
The Old Clown. 1968. 440 x 320 mm

In diesen Graphiken und in Blättern wie Der alte Clown (1968) spiegeln sich auch die Einflüsse des Berliner Künstlers und Akademieprofessors Karl Hofer wider. Stilistisch nimmt Pins Bezug auf dessen weltberühmte Harlekine, Pierrots und puppenhafte Gestalten, die aus den Trümmern der Zivilisation emporsteigen. Sie spielen ebenso eine zentrale Rolle in der Aufarbeitung des Krieges wie die Holzschnitte von Pins.

Blind People. 1957. 60
Blind People. 1957. 60

Hunger, Arbeitslosigkeit und Armut auf den Straßen Jerusalems sind dokumentiert in den Holzschnitten Schlägerei unter Bettlern (1955) und Die Blinden (1957). Sie gleichen den Arbeiten von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Sie zeigen das soziale Elend und die gesellschaftlichen Missstände auf, die in einem gängigen Muster immer wiederkehren.

Mit seiner ersten Einzelausstellung 1945, auf der er seine Holzschnitte präsentiert, schafft Jacob Pins den Durchbruch als Künstler.

Beggars’ Brawl. 1955. 1065 x 410 mm
Beggars’ Brawl. 1955. 1065 x 410 mm

Dass der Holzschnitt in seinem Werk eine ganz besondere Rolle spielt, ist bereits angedeutet worden. Hinzu kommt seine persönliche Entdeckung der japanischen Pfostenbilder, die er zu sammeln beginnt. Die japanischen Drucke und ihre speziellen Techniken werden seine große Leidenschaft. Schon früh hat er nicht nur eine der größten Privatsammlungen weltweit zusammengetragen, sondern zudem ein Buch über „The japanese pillarprint“ verfasst.
Sein Selbstbildnis mit Japandruck (Titelabb.) von 1951 ist daher Programm. In der rechten oberen Bildecke ist ein Holzschnitt abgebildet. Die Graphik zeigt eine Frau in traditionellen japanischen Kleidern; ein farbiges und sehr aufwendig gestaltetes Blatt: biografisch, attributiv, programmatisch.

Pins erlernt die Technik des japanischen Holzschnitts und entwickelt sie zur wahren Meisterschaft. Er wird u. a. 1957 für seine graphischen Werke mit dem Ohara-Preis der Biennale für Graphik in Tokio ausgezeichnet. Es folgen weitere internationale Ausstellungen, Auszeichnungen und die Lehrtätigkeit, d. h. eine Professur an der Bezalel Akademie für Kunst und Design in Jerusalem.

Rainstorm. 1946. 2 Druckstöcke. 528 x 355 mm
Rainstorm. 1946. 2 Druckstöcke. 528 x 355 mm

Eine Auswahl aus der Fülle seiner prächtigen Japandrucke sind beispielsweise Peitschender Regen, Abendlandschaft, Der Fluß Weser: stimmungsvolle Landschaften, romantische Sonnenuntergänge und Naturbilder in einem lichtdurchfluteten, zeitlosen und unendlichen Raum. Harmonische, ausgewogene Kompositionen aus Linien und Farben erzeugen Bildwerke von hoher ästhetischer Wirkung und Atmosphäre.

Trees along a Field Path. 1996. Holzschnitt. 3 Druckstöcke. 12,0 x 59,0 cm.
Evening landscape. 1996. 3 Druckstöcke. 120 x 590 mm
Evening landscape. 1996. 3 Druckstöcke. 120 x 590 mm

In Anlehnung an die japanischen Pfostenbilder sind die extremen Hochformate und hier im Besonderen die Querformate auffallend.

The River Weser. 1997. 2 Druckstöcke. 370 x 460 mm
The River Weser. 1997. 2 Druckstöcke. 370 x 460 mm

Die charakteristische leicht nuancierte Farbigkeit der japanischen Drucke wird mit wasserlöslichen Farben erreicht. Im Gegensatz zu den Ölfarben durchdringen die Farben das angefeuchtete Japanpapier. Wie in der Technik des Aquarells werden die zarten Farbübergänge und -verläufe, im so genannten Irisdruck, durch die Überlagerung durchscheinender Farbschichten erzeugt. Die Transparenz der Farben bewirkt zudem, dass nicht selten die Holzmaserung sichtbar bleibt und diese dann in die Komposition künstlerisch mit eingebunden wird. Dies ist bei den Landschaftsbildern, insbesondere mit Gewässern oder bei Wüstenlandschaften, wie z. B. Schilf im Wasser oder Reiter in der Wüste besonders augenfällig.

Rider in the Desert. 1969. 2 Druckstöcke. 366 x 580 mm
Rider in the Desert. 1969. 2 Druckstöcke. 366 x 580 mm

Bemerkenswert in der Vorgehensweise im japanischen Holzschnitt ist, dass jedes Blatt von Hand erstellt wird; also ohne die mechanische Hilfe von Druckerpressen. An dieser Stelle sei noch einmal auf das Selbstbildnis im roten Pullover hingewiesen, dass den Künstler bei dieser Tätigkeit zeigt.
Im Gegensatz jedoch zur Herstellung in Japan entstehen die Graphiken von Jacob Pins vollständig aus einer Hand. Der Künstler stellt den Holzschnitt von der Idee, dem Entwurf, dem Schnitt bis hin zum Druck selbst her – ganz im europäischen künstlerischen Verständnis. Im japanischen Holzschnitt dagegen sind die verschiedenen Produktionsschritte personell klar getrennt und auf mehrere Personen bzw. -gruppen verteilt. Der Künstler entwirft das Bild und die Umsetzung erfolgt in den Werkstätten des Holzschneiders und des Druckers. Auch der Vertrieb liegt separat beim Verlag. Diese Vorgehensweise entspricht viel mehr der einer Buchentstehung. Entscheidend ist, dass sich der Künstler in Japan auf die Konzeption und den künstlerischen Akt konzentriert, die handwerkliche ist nicht sein Metier. Dennoch werden alle Beteiligten in Form von Stempeln und Signets auf einem Blatt verzeichnet und als Gemeinschaftswerk detailliert gekennzeichnet.

So sind auch Pins Signaturen und Daten akribisch auf jedem seiner Blätter mit Bleistift gesetzt. Es ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal, dass die Graphiken direkt von der Hand des Künstlers stammen. Hierauf legt Jacob Pins größten Wert, denn dies gehört zu seinem künstlerischen Selbstverständnis. Der Künstler bestimmt über die Entstehung und den Verlauf der Graphik. Auch bei der technischen Umsetzung des künstlerischen Entwurfs behält der Künstler die Kontrolle und setzt der Graphik seinen persönlichen „Stempel“ auf.
Pins sagt über den Holzschnitt, zitiert aus einem Beitrag von Meira Perry-Lehmann: „Der Holzschnitt ist eine Technik der keine Flecken aus Linien oder Formen erlaubt und verlangt von dem Künstler Klarheit, Entschlossenheit und Zielbewusstsein.“

Eine Besonderheit in seinem graphischen Werk ist, dass Jacob Pins jede seiner Graphiken in deutscher und hebräischer Sprache signiert. Die Signatur ist Ausdruck seiner Geschichte und seiner Identität. Sein Leben und seine Bilder sind Dokumente der vergangenen Zeit und auch der Gegenwart.

Als Jacob Pins 2002 der Stadt Höxter eine umfangreiche Sammlung seiner Werke überreicht, so geschieht dies an dem Ort seiner Kindheit zur Erinnerung an seine im nationalsozialistischen Regime ermordeten Eltern Leo und Ida Pins. Sein Werk bedeutet einen wichtigen Beitrag zum besseren gegenseitigen Verständnis. Nur wer die Vergangenheit und die Geschichte des jüdischen Volkes kennt, weiß um die Dimensionen und die Wirkung der Bilder von Jacob Pins. Die Geschichte zu begreifen und auch zu verstehen, bedeutet die Chance auf eine bessere Zukunft.

Originalbeitrag