Jüdische Bürger in Höxter

Das Geschäft Emil Rose am Gänsemarkt um 1900 (zweites Haus von links)
Das Geschäft Emil Rose am Gänsemarkt um 1900 (zweites Haus von links)

Die Familie Rose zählt zu jüdischen Familien, die sich bereits früh in der hiesigen Gegend ansiedelten. Schon in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundet erscheint in Fürstenau ein Heinemann Jacob Rose gen. Teckler (1739–1824), auf den möglicherweise auch andere Familien Rose der Umgebung zurückgehen (Brakel, Pömbsen, Nieheim, Beverungen). Der Beiname lässt vielleicht an einen Hausierer denken, der eiligen Schritts durch die Dörfer „teckelte“ – dackelte.

Dessen ältester Sohn Levy Heinemann Rose (1769–1844) und seine Familie sind wiederum in Fürstenau verzeichnet, während sein Bruder Isaak Heinemann (1780–1873) später in Altenbeken lebte. Von der Tochter Sarinchen (* 1776) ist nur bekannt, dass sie 1810 als Magd in Hofgeismar angestellt war.

Erhaltenes Fragment des Grabsteins von Samuel Rose auf dem Friedhof in Höxter
Erhaltenes Fragment des Grabsteins von Samuel Rose auf dem Friedhof in Höxter

Die bis ins 20. Jahrhundert in Höxter lebende Familie Rose geht dagegen auf den mittleren Sohn Samuel Rose (1779–1866) zurück, der nach seiner Heirat (1813) mit der aus Körbeke stammenden Brünette (Bertha) Wolfstein (1789–1872) 1840 als Viehhändler nach Brenkhausen zog und dort ein eigenes Haus errichtete (heute Kreisstr. 24). Der in der Nazizeit entfernte Torbogen mit dem eingeritzten Namen „Jude Rose“ ist nicht mehr erhalten.

Das von Samuel Rose errichtete Haus in Brenkhausen (Aufnahme von 1910)
Das von Samuel Rose errichtete Haus in Brenkhausen (Aufnahme von 1910)

Die älteste Tochter Röschen (1813–1905) heiratete 1840 den in Albaxen lebenden Samuel Katz (1799–1867), der dort zwei Häuser besaß. Dessen Söhne Heinemann (1843–1920) und Levi Katz (1847–1901) siedelten später nach Höxter um und betrieben hier in der Corveyer Allee 1 bis nach dem Ersten Weltkrieg einen Futter- und Getreidehandel.

Die jüngste Tocher Rachel Rika (1828–1916) heiratete 1855 den in Vörden lebenden Salomon Frankenberg (1827–1888), wo Nachkommen bis ins Dritte Reich ansässig waren, bevor sie 1938 nach Amerika flohen.

Josef und Lisette Rose und ihre Nachkommen

Die Grabsteine von Josef und Lisette Rose auf dem jüdischen Friedhof in Höxter
Die Grabsteine von Josef und Lisette Rose auf dem jüdischen Friedhof in Höxter

Der Sohn Josef Rose (1815–1873) blieb dagegen mit seiner 1853 geheirateten Frau Lisette Buchthal (1827–1901) zunächst in Brenkhausen, wo auch die ersten acht der neun Kinder geboren wurden, von denen eine Tochter als Kind starb. 1865 verkauften sie das Haus und zogen nach Höxter, wohin auch die Eltern Samuel und Brünette offenbar noch mitzogen, denn beide wurden hier nach dem Tod auf dem jüdischen Friedhof begraben.

Josef und Lisette Rose eröffneten in der Grubestraße 24, der heutigen Corbiestraße, ein Schuhgeschäft, das Lisette nach dem Tod ihres Mannes jedoch bereit ab 1873 allein weiterführen musste. Zahlreiche Zeitungsanzeigen lassen jedoch erkennen, dass das Geschäft wohl für die Kunden attraktiv war, denn es bot neben einem „reich assortirten Lager“ auch Maßanfertigungen und Reparaturen an.

Anzeige vom 21.5.1874
Anzeige vom 21.5.1874
Anzeige vom 8.12.1883
Anzeige vom 8.12.1883

Trotzdem fand Lisette Rose die Zeit, sich um die Erziehung und die Zukunft der acht Kinder zu kümmern. Von drei der vier Töchter ist bekannt, dass sie später mit erfolgreichen Kaufleuten verheiratet waren: Rebecca Rose (1854-1936) mit dem Höxteraner Landhändler Levi Katz, Lina Rose (1860–1907) in Wolfhagen mit dem Kaufmann Selig Sali Möllrich, und die jüngste, Bertha Rose (1869–1942), mit dem Viehhändler Sally/Salomon Löwenstein in Dortmund, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Bei den Söhnen legte die Mutter offensichtlich vor allem Wert auf eine gründliche Schulausbildung und schickte alle vier Söhne nach der jüdischen Schule zum KWG, wo zwei von ihnen auch die Mittlere Reife ablegten.

Die beiden ältesten Söhne Heinemann (* 1855) und Bendix (Bernhard) (* 1857) besuchten von 1867 bis 1871 bzw. 1872 das Gymnasium in Höxter und gingen dann ab, um Kaufleute zu werden, einen Beruf, den sie in Witten/Ruhr erlernen sollten. Sie wanderten in den 1880er Jahren in die USA aus. Belegt ist 1889 die Heirat Bernhard Roses mit der aus Essen stammenden Henrietta Bendix in New York.

Adolf Rose und seine Kinder

Der Sohn Adolf (* 1862) blieb dagegen zunächst in Höxter. Er besuchte von 1871 bis 1877 das KWG und machte dann in Dortmund eine Kaufmannsausbildung. Schon mit gut 20 Jahren eröffnete er in Höxter eine Geschäft für Hüte, Handschuhe und Putzwaren, das er jedoch nach wenigen Jahren aufgab, um für ein gutes Jahrzehnt zusammen mit dem aus Albaxen zugezogenen Jacob Löwenstein ein Bekleidungsgeschäft zu betreiben. Daneben war er auch Geschworener bei Gericht.

Anzeige vom 4.10.1884
Anzeige vom 4.10.1884
Anzeige vom 29.5.1889
Anzeige vom 29.5.1889

Die Geschäftsverbindung wurde jedoch wieder gelöst. Während Jacob Löwenstein in der Westerbachtraße 5 ein Bekleidungsgeschäft eröffnete, rief Adolf Rose zusammen mit seinem Bruder Bruder Emil eine OHG in Leben, und betrieb mit ihm in der Westerbachstraße 23 am Gänsemarkt ein Hut- und Putzwarengeschäft. 1904 wurde die OHG aufgelöst, und Adolf Rose zog mit seiner um 1890 geheirateten Frau Hedwig Marks aus Höxter nach Berlin, wo er von mindestens 1910 bis 1920 als General-Agent und dann Subdirektor bei der Lebensversicherung Victoria beschäftigt war. Weitere Informationen fehlen bisher.

Militärerfassung Erich Roses 1941
Militärerfassung Erich Roses 1941

Das Ehepaar hatte drei Söhne, von denen der erste Carl Josef (* 1891) nach einer guten Woche starb. Über die beiden anderen ebenfalls in Höxter gebornen Söhne Erich (* 1893) und Siegfried (* 1902) ist bisher nur gesichert, dass Erich bis 1935 mit seiner in Stettin geborenen Frau Charlotte Schubring (* um 1906) als Arzt in Berlin lebte und im Dritten Reich mit ihr nach Amsterdam floh. 1940 emigrierte das Ehepaar über Rotterdam in die USA, wo Erich 1941 in New York wohnte und auch militärisch erfasst wurde. Sein Bruder Siegfried starb anscheinend als Kind.

Emil Rose und seine Kinder

Ebenso wie Adolf besuchte auch sein jüngerer Bruder Emil Rose (1863–1922) nach der jüdischen Schule das KWG (1873– 1880), das er mit der Mittleren Reife verließ, um in Aachen eine kaufmännische Ausbildung zu machen. Nach seiner Rückkehr nach Höxter gründete er zusammen mit seinem Bruder Adolf als Teilhaber die bereits genannte OHG und betrieb den Laden am Gänsemarkt nach deren Auflösung allein weiter.

Emil Roses Geschäft an der Marktstraße 4 um 1920
Emil Roses Geschäft an der Marktstraße 4 um 1920

1910 verlegte er das Geschäft übergangsweise zunächst in die Marktstraße 24, dann 1912 in die Marktstraße 29, bevor er seine Geschäftstätigkeit ab 1913 auf Dauer in der Marktstraße 4 fortsetzte.

Haupteinnahmequelle des Geschäfts waren der Verkauf und das Umarbeiten von Hüten, jedoch kamen während des Ersten Weltkriegs auch andere Dinge hinzu, wie z.B. der Verkauf von Leder- und Kunstspeisefett.

Um 1900 heiratete Emil Rose die 10 Jahre jüngeren Fanny Löwenbach (1873–1952) aus Madfeld und hatte mit ihr vier Kinder. Die beiden Söhne Walter Josef (1899–2005) und Siegfried Fritz (1901–1992) besuchten das KWG bis zur Mittleren Reife (1909–1915 bzw. 1911–1918), um dann ins praktische Leben zu gehen, während die Töchter Elsbeth (1900–1981) und Lucie (1915–2009) zur Töchterschule gingen. Von Elsbeth Rose ist bekannt, dass sie 1916 „das Zeugnis der Reife für die erste Klasse eines Lyzeums“ erhielt. Für die jüngere Schwester Lucie dürfte dasselbe gelten.

„Gold gab ich für Eisen“, der Rose’sche Laden als Sammelstelle, Huxaria 24.6.1915
„Gold gab ich für Eisen“, der Rose’sche Laden als Sammelstelle, Huxaria 24.6.1915

Im Ersten Weltkrieg leistete Emil Rose, der selbst für den Kriegsdienst zu alt war, seinen Beitrag auf andere Weise und richtete in seinem Geschäft die Höxteraner Sammelstelle für die Reichssammlung „Vaterlandsdank“ zu Gunsten der Gefallenen ein. Zusätzlich im Geschäft gesammeltes Goldgeld brachte der Sohn Siegfried mehrfach zu den zuständigen Stellen.

Bis in die Weimarer Republik bestand das Geschäft erfolgreich weiter, wie Zeitungsanzeigen belegen, erlosch offenbar jedoch wenige Jahre nach Emil Roses Tod im Jahr 1922 mit nicht einmal 60 Jahren, da es nach dem Wegzug der Kinder keinen Nachfolger gab, und so ging das Geschäft an den Kürschner Berger über.

Die übrige Familie konnte dem Holocaust offenbar durch rechtzeitige Auswanderung entkommen, und in Los Angeles, Californien, fanden die Mutter und die vier Geschwister nach dem Ende des Kriegs wieder zusammen.

Als erste floh die 20-jährige Lucie Rose (1915–2009) 1936 in die USA, die 1927 mit ihrer Mutter nach Nienburg gezogen war und später in Berlin gelebt hatte. In den USA heiratete sie den wohl auch aus Deutschland stammenden Erich Philipp (* um 1910) und hatte mit ihm zwei Kinder. Sie starb 2009 in Santa Monica, Californien.

Walter Rose 1913 als Schüler
Walter Rose 1913 als Schüler
Der Grabstein von Walter Rose in Hollywood
Der Grabstein von Walter Rose in Hollywood

Walter Josef Rose (1899-1950) hatte von 1909 bis 1915 das KWG bis zur Mittleren Reife besucht und war dann ab 1920 Bankier in Nienburg/Weser gewordem. Bereits 1937 fuhr er einmal in die USA, wohl um die Auswanderung vorzubereiten, und emigrierte dann 1938 mit seiner ebenfalls nach Nienburg gezogenen Mutter Fanny über Holland in die USA, wo sie beim Census 1940 zunächst zusammen in New York wohnten, bis sie in der Folgezeit nach Californien zogen. Walter Rose starb bereits 1950 in Los Angeles, die Mutter Fanny 1952.

Sein jüngerer Bruder Siegfried Fritz (1901–1992) besuchte das KWG ebenfalls bis zur Mittleren Reife (1911–1918) und ergriff danach anscheinend einen Handwerksberuf. Wie sein älterer Bruder Walter ging er im Dritten Reich in die Niederlande. Anscheinend gelang ihm jedoch nicht, das Land zu verlassen. Er überlebte dort aber mit seiner Frau Käthe (* um 1913) bei einem Bruder seiner Mutter, und 1947 wanderten die beiden in die USA aus, wo er sich Fred S. Rose nannte. Er starb 1992 in Santa Monica, Californien.

Einbürgerung in den USA
Einbürgerung in den USA

Ein Hinweis auf Fred Siegfried Roses Wohnort in Deutschland könnte sich aus den Restitutionsakten des Landesarchivs Saarbrücken über die Auseinandersetzung wegen eines dortigen Hausgrundstücks ergeben. Möglicherweise lassen sich daraus auch Rückschlüsse auf die Herkunft seiner Frau Käthe ziehen.

Siegfrieds Schwester Elsbeth (1900–1981), die 1916 an der Töchterschule die Berechtigung zum Besuch des Lyzeums erworben hatte, heiratete 1925 den aus Wittmund (Ostfriesland) stammenden Kaufmann Jaques Wolff (* 1895), der für 2 ½ Jahre mit ihr nach Höxter zog. 1927 gingen die beiden nach Hamburg und lebten später in Mannheim, wo 1935 der Sohn Peter geborenn wurde.

Heirat von Elsbeth Wolff geb. Rose mit Leo Kochman
Heirat von Elsbeth Wolff geb. Rose mit Leo Kochman

Genauere Informationen über die folgende Zeit fehlen, ebenso auch wann und wo ihr Mann Jaques Wolff verstarb. Jedenfalls gelangte das Ehepaar mit ihrem Sohn Peter nach England, Wo Jacques Wollf offenbar starb. 1946 emigrierte Elsbeth als Witwe zu ihrer Mutter nach Los Angeles emigrierte. Dort heiratete sie 1948 den ebenfalls aus Deutschland stammenden und ebenfalls verwitweten Leonard Kochmann (Leo Kochman) (1901–1967). Sie starb 1981 in Santa Monica, Californien.

Fritz Ostkämper, 4.2.2021
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de