Jüdische Bürger in Höxter

Die Familie Rosenberg in Amelunxen und Höxter

Die Familie Rosenberg in Amelunxen

Bereits seit dem 18. Jahrhundert und über 200 Jahre lang gab es in Amelunxen eine Familie Rosenberg, und einen Ableger dieser Familie findet man 100 Jahre später auch in Höxter. Jacob Simon (1745–1811), der erste bekannte Vorfahr, nahm 1808 in Amelunxen mit seiner Frau Hanne (Hendel) Gans Segelbaum (1743–1821) und seinen Kindern den Namen Rosenberg an.

Der Grabstein von Johanna Heymann geb. Rosenberg auf dem Friedhof in Geldern
Der Grabstein von Johanna Heymann geb. Rosenberg auf dem Friedhof in Geldern

Sein ältester Sohn Wolff Jacob Rosenberg (1777–1847) blieb mit seiner aus Borgentreich stammenden Frau Sara Stern in Ameluxen, wo er den Unterhalt der Familie vermutlich als Händler und Hausierer verdiente. Das Ehepaar hatte acht Kinder, jedoch gibt es bisher nur bei vier von ihnen weiterere Informationen.

Die älteste Tochter Johanna (1825–1869) war mit dem Pferdehändler Levy Heymann (1825–1892) in Geldern verheiratet und hatte mit ihm sieben Kinder. Der mit der in Beverungen geborenen Fanny Seehoff (* 1830) verheiratete Sohn Jacob Rosenberg (* 1828) hatte drei Kinder und lebte später in Goch.

Joseph Rosenberg (1836–1901), der jüngste Sohn, blieb dagegen in Amelunxen und baute hier mit seiner Frau Hannchen Meyerbach aus Ibbenbüren ein Kolonialwarengeschäft auf, das bis ins Dritte Reich im Besitz der Familie blieb.

Vier Kindert Joseph Rosenbergs, ausgewandert in die USA

Das Ehepaar hatte sieben Kinder, von denen vier (oder fünf) in die USA auswanderten. Der älteste Sohn Wilhelm (1862–1943) kam 1873 aus Privatunterricht an das Gymnasium in Höxter. Er wohnte in dieser Zeit bei der Familie Frankenberg, in die die Witwe seines früh gestorbenen Onkels Soistmann eingeheiratet hatte (s.u.). 1878 verließ er das Gymnasium, um Kaufmann zu werden.

1879 wanderte er nach Amerika aus und betrieb dort in Greenville, Texas, einen offenbar florierenden Großhandel mit Spirituosen, den er nach Beginn der Prohibition 1920 in eine Samenhandlung umwandelte, mit dem er die umliegenden Farmer mit Saatgut versorgte. Er war Sekretär der jüdischen Gemeinde, und in seinem großen viktorianischen Haus fanden auch Gottesdienste für diejenigen statt, denen der Weg nach Dallas zu weit war. Auch bei den Nichtjuden war er hoch angesehen, und zum Zeichen der jüdisch-christlichen Freundschaft bat man ihn, bei der Einweihung der Orgel in der Kirche eine Grußansprache zu halten. Die Zusammenarbeit ging sogar so weit, dass die Baptisten den Juden in den 1940er Jahren das Untergeschoss ihrer Kirche für den Kultus zur Verfügung stellten.

Wilhelm Rosenberg blieb unverheiratet, aber er war nicht allein, denn nicht nur seine älteste Schwester Henriette/Helen (1859–1936) sondern auch sein 1888 ausgewanderter jüngerer Bruder Jacob (1865–1899) lebten mit im Haus. Dieser hatte mit seiner Frau Frances Lehmann (1866–1943) zwei Kinder, die nach dem Tod Jacob Rosenbergs von der Familie aufgezogen wurden und von denen der Sohn Leon (1895–1969) in das Geschäft seines Onkels Wilhelm eintrat und es nach dessen Tod weiterführte.

Die Grabsteine von Willi, Jacob und Helen Rosenberg in Greenwood, Texas
Die Grabsteine von Willi, Jacob und Helen Rosenberg in Greenwood, Texas

Spätestens 1888 wanderte auch der Joseph Rosenbergs Sohn Julius (1863–1955) (und vielleicht auch die Schwester Pauline (* 1860)?) in die USA aus, wo Julius mit seiner Frau Matilda 1893 in den Maisfeldern um Granite City, Illinois, ein Einrichtungshaus eröffnete, das er wenige Jahre später in die neu entstandene Stadt verlagerte. Auch nach einem verheerenden Brand baute er das Geschäft 1921 wieder auf. Das Ehepaar hatte fünf Kinder, von denen der älteste Sohn William (* 1891) das Geschäft später übernahm. Von dem Ansehen der Familie zeugt die Tatsache, dass Julius Rosenberg 1899 zum dritten und sein Sohn William später sogar zum zweiten Bürgermeister gewählt wurde.

Das Geschäft Rosenberg in Granite City und der Sohn William, 1924
Das Geschäft Rosenberg in Granite City und der Sohn William, 1924

Albert Rosenberg und seine Schwester Fanny in Amelunxen

Die Grabsteine für Albert Rosenbergs Tochter Else und seinen Vater Joseph auf dem Friedhof in Amelunxen
Die Grabsteine für Albert Rosenbergs Tochter Else und seinen Vater Joseph auf dem Friedhof in Amelunxen

Während vier (oder fünf?) Kinder Joseph Rosenbergs so im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in die USA ausgewanderten, blieben die unverheiratete Tochter Fanny (1866–1944) und der jüngste Sohn Albert (1868–1944) in Amelunxen. Albert absolvierte nach seiner Schulzeit eine Lehre im Landhandelsgeschäft der Gebrüder Eppstein in Höxter und trat dann in das Geschäft seines Vaters in der Amalungstraße 36 in Amelunxen ein, das er mit seiner Frau Rosa Meyer (1874–1942) aus Hannoversch-Münden bis ins Dritte Reich fortführte.

Er war ein tüchtiger Geschäftsmann, wenn er auch mit einer gegenüber dem Haus erbauten Molkerei scheiterte, so dass sie von anderen Besitzern übernommen wurde, die sie dann zu dem heute noch als GmbH existierenden ESKO-Käsewerk ausbauten. Das Geschäft lief aber sonst weiterhin gut, denn es bot außer Kleidung auch Haushaltswaren und Bedarfsartikel wie Werkzeug, Nägel und anderes an. Beliebt war die Familie auch deshalb, weil sich arme Kinder aus katholischen Familien dort am Weißen Sonntag kostenlos einkleiden konnten, und auch im Dritten Reich kauften die Amelunxer zumindest heimlich weiterhin in dem Laden.

Kurz vor der Pogromnacht entschloss sich Albert Rosenberg jedoch, das Geschäft zu schließen, und zog mit seiner Frau und seiner Schwester Fanny am 7.11.1938 von Amelunxen nach Rheydt in das dortige jüdische Altersheim. Von dort wurden sie ebenso wie die anderen Bewohner des Altersheims am 25.7.1942 mit einem Sammeltransport nach Theresienstadt deportiert und 1942 bzw. 1944 ermordet.

Todesfallanzeige für Rosa Rosenberg in Theresienstadt und Todesanzeige der Kinder für die Eltern und die Tante Fanny (Aufbau, 20.7.1945)
Todesfallanzeige für Rosa Rosenberg in Theresienstadt und Todesanzeige der Kinder für die Eltern und die Tante Fanny (Aufbau, 20.7.1945)

Zwei der vier Kinder Albert und Rosa Rosenbergs starben jung, die Tochter Else (1903) als Kleinkind und die Tochter Leonie (1905–1927) mit 22 Jahren an Hirnhautenzündung. Die beiden anderen Kinder entgingen dem Holocaust durch die Flucht in die USA. Der Sohn Wilhelm/Willy (1901–1979) verließ Deutschland, sicher mit seiner aus Wehrda stammenden Verlobten Trude Plaut (1912–1998), die er dann im Mai 1938 in Marseille heiratete, bevor sie im Juni zusammen nach Los Angeles emigrierten. William (Bill) Rosenberg lebte dort zumindest zunächst als Anstreicher, und 1944 wurde das Ehepaar 1944 eingebürgert. Im selben Jahr wurde die Tochter Francine geboren, die noch 2010 in Fullerton in Californien lebte.

Einbürgerung Willy Rosenbergs in den USA, 1944
Einbürgerung Willy Rosenbergs in den USA, 1944

Einen Monat nach ihrem Bruder Willi später ging auch die Schwester Helene (1909–1988) mit ihrem in Bielefeld geborenen Mann Fritz (dann Fred) Meyerfeld (1903–1970) nach Californien ins Exil. 1936 waren sie zunächst nach Amelunxen gezogen, von wo sie im Juli 1938 in die USA emigrierten und zunächst in New Jersey und dann in Burbank, Los Angeles lebten.

Die Familie Rosenberg in Höxter

Die Höxteraner Familie Rosenberg ist ein im 19. Jahrhunder entstandener Ableger der Rosenbergs in Amelunxen, denn 1866 heiratete Siegmund Soistmann Rosenberg (1835–1867), der zweitjüngste Sohn des oben genannten Josef Rosenberg, die in Goch geborene Jenny Jacobs (1842–1915), eine Verbindung, die sicher zustande kam, weil Siegmunds älterer Bruder Jacob in Goch verheiratet war.

Siegmund und Jenny Rosenberg hatten zwei Kinder, die Tochter Lina (* 1866) und den Sohn Siegmund (1868–1930). Jedoch schon bald nachdem die Mutter Jenny mit letzterem schwanger war, starb der Vater Siegmund und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Höxter begraben.

Die Grabsteine von Siegmund Rosenberg und seiner Frau Jenny Frankenberg geb. Jacobs verw. Rosenberg auf dem jüdischen Friedhof in Höxter
Die Grabsteine von Siegmund Rosenberg und seiner Frau Jenny Frankenberg geb. Jacobs verw. Rosenberg auf dem jüdischen Friedhof in Höxter

Die so jung verwitwete Jenny heiratete daraufhin 1869 den in Löwendorf geborenen Gustav Frankenberg (1843-1906) und hatte mit ihm sieben Kinder, die zusammen mit Lina und Siegmund Rosenberg in dem Wohn- und Geschäftshaus in der Stummrigestraße 16 aufwuchsen. Deshalb findet man bei letzteren in den Quellen auch versehentlich mehrfach den Nachnamen Frankenberg. Während seiner Schulzeit am KWG von 1873 bis 1876 lebte auch noch der bereits genannte Willi Rosenberg (1862–1943) aus Amelunxen mit im Haus, ein Neffe von Jennys ersten Mann.

Lina Rosenberg um 1898 und 1914
Lina Rosenberg um 1898 und 1914

Über das Leben der älteren Schwester Lina Rosenberg (* 1866) ist nur wenig bekannt. Sie blieb unverheiratet und lebte in dem vermutlich ererbten Haus in der Stummrigestraße 49, das ihr vielleicht aus dem Erbe ihres Vater zugefallen war und das sie mit ihrer Halbschwester Margarete Frankenberg bewohnte. 1935 bzw. 1936 zogen auch noch ihre verwitweten Halbschwestern Olga Mühlfelder, geb. Frankenberg und Eugenie Hochheimer, geb. Frankenberg mit in das Haus ein.

Von dort mussten die vier Geschwister 1941 in das zum „Judenhaus“ erklärte Gebäude der Synagoge an der Nagelschmiedstraße 8 umziehen, bevor Eugenie Hochheimer und Margarete Frankenberg am 10.7.1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet wurden. Lina Rosenberg und Olga Mühlfelder, die beiden älteren, wurden am 31.7.1942 nach Theresienstadt deportiert und acht Wochen später in Treblinka ermordet.

Siegmund Rosenberg um 1898 und 1914
Siegmund Rosenberg um 1898 und 1914

Zahlreiche Informationen gibt es über Linas jüngeren Bruder Siegmund Rosenberg (1868–1930), ebenfalls aus der ersten Ehe der Mutter Jenny, der nach der Vorschule am KWG 1878 auf das Gymnasium überging, es jedoch bereits 1882 nach Erfüllung der Schulpflicht verließ. Er hielt aber auch später den Kontakt zur Schule aufrecht und spendete etwa 1912 bei der Einweihung des neuen Schulgebäudes. Seinen Militärdienst leistete er offensichtlich beim Infanterie-Regiment 55 ab und gehörte später der Ortsgruppe der „ehem. 55-er“ an.

Eine kleine Auswahl der Anzeigen Siegmund Rosenbergs
Eine kleine Auswahl der Anzeigen Siegmund Rosenbergs

Siegmund Rosenberg wurde Kaufmann und baute in den folgenden Jahrzehnten in der Corveyer Allee 2 einen ausgedehnten und florierenden Handel mit Baumaterialien und Kohlen, aber als Landhandel auch mit Kartoffeln und Wintergemüse usw. auf, wie zahlreiche und zum Teil regelmäßig geschaltete Geschäftsanzeigen in den örtlichen Zeitungen belegen.

Anzeige vom 3.11.1916
Anzeige vom 3.11.1916
Widmung zu Weihnachten 1919
Widmung zu Weihnachten 1919

Neben seinem Geschäft engagierte sich Siegmund Rosenberg auch in der jüdischen Gemeinde und in der Höxteraner Öffentlichkeit. Schon seit vor dem Ersten Weltkrieg war er lange Jahre Vorsitzender des AOK-Bezirks Höxter, und die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde wählten ihn wiederholt zu einem ihrer Vorsteher. Für seine Akzeptanz bei Behörden und Bürgern spricht auch, dass er während des Ersten Weltkriegs vom Landrat zum An- und Verkauf der knappen Waren herangezogen wurde. Gut bekannt war er mit dem Maler Franz Hoffmann-Fallersleben, dessen Bilder die Wohnung schmückten.

Um 1900 heiratete Siegmund Rosenberg die aus Barchfeld gebürtige Kathi Leopold (* 1880), und 1902 wurde die einzige Tochter Anni/Anny geboren. 1909 zogen Kathis Eltern Maier Leopold (1852–1928) und Pauline, geb. Ganzmann (1851–1942) ebenfalls mit in das Haus ein. Maier Leopold wurde nach seinem Tod auf dem jüdischen Friedhof in Höxter begraben, während seine Frau Pauline später in Theresienstadt ein Opfer des Holocaust wurde.

Anni Rosenbergs Verlobung mit Rudolf Baruch, 1923
Anni Rosenbergs Verlobung mit Rudolf Baruch, 1923

Siegmund Tochter Anni/y verlobte sich 1923 mit den in Herten geborenen und dann in Gelsenkirchen lebenden Rudolf Baruch (1897 – ca. 1986). Bald danach heirateten die beiden, und im folgenden Jahr wurde ihre einzige Tochter Ursula (* 1924) geboren. Ein weiteres Kind kam 1935 tot zur Welt.

1930 starb Siegmund Rosenberg plötzlich und unerwartet, und mit Anzeigen riefen die Vereinigten Militärvereine und die Ortsgruppe der ehemaligen 55er zur ehrenden Teilnahme an der Beerdigung auf dem jüdischen Friedhof an der Gartenstraße auf.

Anzeigen zum Tod Siegmund Rosenbergs am 10. März 1930
Anzeigen zum Tod Siegmund Rosenbergs am 10. März 1930
Der zerschlagene Grabstein für Siegmund Rosenberg im Ehrenmal des jüdischen Friedhofs
Der zerschlagene Grabstein für Siegmund Rosenberg im Ehrenmal des jüdischen Friedhofs

Noch für einige Jahre übernahm nun der Schwiegersohn Rudolf Baruch das Geschäft, der bereits zuvor als Geschäftsführer eingetreten war. Im Dritten Reich erkannten er und seine Frau Anni jedoch rechtzeitig die Bedrohung und flohen mit ihrer 1924 geborenen Tochter Ursula 1937 nach Palästina.

Siegmund Rosenbergs Frau Kathi mit ihrer Mutter Pauline Leopold blieben dagegen in Höxter. 1941 wurde das Haus in der Corveyer Allee 2 zum „Judenhaus“ erklärt, und zusätzlich mussten die Familien Löwenstein (vier Personen), Pins (zwei Personen) und die entfernt verwandte Witwe Bertha Rothenberg, geb. Frankenberg einziehen, so dass sich jetzt neun Juden den Platz teilen mussten.

Wie andere jüdische Familien verschenkte Kathi Rosenberg Haushalts- und andere Gegenstände an befreundete Höxteraner Familien oder gab sie ihnen in Verwahrung, darunter ein Sparbuch, damit die nach Palästina emigrierte Tochter Anni später darüber verfügen konnte. Siegmund Rosenbergs Frau Kathi wurde am 10. Juli 1942 mit ihren Schwägerinnen Eugenie Hochheimer und Margarete Frankenberg zur Ermordung nach Auschwitz deportiert. Drei Wochen später am 31. Juli 1942 wurden seine noch zurückgeblieben Schwestern Lina Rosenberg und Olga Mühlfelder sowie seine Schwiegermutter, die 90-jährigen Pauline Leopold, nach Theresienstadt deportiert, wo letztere am 11. Okt. 1942 umkam.

Familie Baruch in Palästina und Israel

Die 1937 aus Höxter nach Haifa abgemeldete Familie Baruch lebte in Palästina und dann in Israel in dem erst wenige Jahre zuvor gegründeten Ort Kiryat Motzkin, wo die Tochter Ursula mit dem aus Wien stammenden Ahron Hausner verheiratet war. Die Familie pflegte auch weiterhin die Freundschaften zu anderen dorthin emigrierten Juden aus Höxter, wie z.B. zu Jacob Pins und seinem in den USA lebenden Bruder Rudolf.

Ahron Hausner, Anni Baruch geb. Rosenberg, Ursula Hausner geb. Baruch, Rudolf Pins, Elsa Pins, Rudolf Baruch (1965, v.l.n.r.)
Ahron Hausner, Anni Baruch geb. Rosenberg, Ursula Hausner geb. Baruch, Rudolf Pins, Elsa Pins, Rudolf Baruch (1965, v.l.n.r.)

Auch nach Höxter gab es weiterhin Kontakte, so dass sogar die Mutter Hans Schmidts, des ehemaligen SS-Hauptsturmführers und Adjutanten des Kommandanten in Buchenwald, in seinem Prozess Rudolf Baruch um ein positives Leumundszeugnis für ihren Sohn bat, aber verständlicherweise offenbar vergeblich.

Rückgabe des Sparbuchs von Kathi Rosenberg an die Sparkasse durch den Treuhänder, 1948 (Ausschnitt)
Rückgabe des Sparbuchs von Kathi Rosenberg an die Sparkasse durch den Treuhänder, 1948 (Ausschnitt)

Zu Besuchen kam die Familie Baruch dagegen nach dem Krieg anscheinend mehrfach nach Höxter zurück, wo Anni Baruch einige der von befreundeten Familien aufbewahrten Dinge ihrer Mutter zurückerhielt und auch das Sparbuch ihrer Mutter in Empfang nehmen konnte, das ein befreundeter Höxteraner vor deren Deportation treuhänderisch in Verwahrung genommen und 1948 an die Sparkasse zurückgegeben hatte.

Außerdem suchte Anni Baruch auch die Gräber der Familien Rosenberg und Frankenberg auf dem geschändeten und zerstörten jüdischen Friedhof auf und sorgte sich auch später noch um den Zustand der Gräber. Erhalten ist auch ein Brief, mit dem sich Anny Baruch 1973 ausdrücklich bei der Stadt Höxter für eine Benennung einer Straße nach ihrem Onkel Dr. Richard Frankenberg bedankt.

Briefe Anny Baruchs an die Stadt Höxter vom 2.12.1968 und vom 2.11.1973
Briefe Anny Baruchs an die Stadt Höxter vom 2.12.1968 und vom 2.11.1973
Brief Anni Baruchs vom 7.3.1989
Brief Anni Baruchs vom 7.3.1989

Denn die Stadt Höxter blieb auch in den folgenden Jahrzehnten als Geburtsort weiterhin ein Bezugspunkt für die Familie Baruch, und als die 87-jährige Anni Baruch 1989 aus Höxter eine Dokumentation über ihren Onkel Dr. Richard Frankenberg zugeschickt bekam, bedankte sie sich in dem in ihrem Namen von der Tochter Ursula Hausner geschriebenen Brief herzlich dafür, auch wenn sie sich bei der Lektüre „sehr aufgeregt“ habe. „Es war sehr schwer, sich wieder eine neue Existenz aufbauen, aber wir leben, das ist die Hauptsache.”

Weitere Träger des Namens Rosenberg in Höxter

Außer den im Vorangehenden Genannten gab es in Höxter noch weitere Träger des Namens Rosenberg, bei denen jedoch eine Beziehung zu der hiesigen Familie unwahrscheinlich oder zumindest nicht bekannt ist.

Simson Baer Rosenberg

Anzeige vom 17.11.1883
Anzeige vom 17.11.1883

Der aus Braunschweig stammende Kaufmann Simson (auch Simon) Baer Rosenberg (1802–1877) kam um 1850 nach Höxter und heiratete die verwitwete Betti Steinberg, geb. Blumenthal (1803-1885), deren erster Mann Heinemann Steinberg (1780–1846) in der Wegetalstraße 1 ein Bekleidungsgeschäft betrieben hatte.

Der Grabstein von Betty Rosenberg
Der Grabstein von Betty Rosenberg

Kinder gingen aus dieser zweiten Ehe nicht mehr hervor, jedoch übernahm Simson Rosenberg das in die Marktstraße 4 verlagerte Geschäft, das nach seinem Tod zunächst noch unter seinem Namen fortgesetzt wurde, aber später verschwand und an Emil Rose verkauft wurde. Seine Frau Betti lebte bis zu ihrem Tod in Höxter und wurde hier auf dem jüdischen Friedhof begraben.

Levi Salomon Rosenberg

Levi Salomon Rosenberg (1762–1852) lebte nur kurze Zeit in Höxter. Er kam als alter Mann aus Neuenkirchen (Rietberg) hierher, weil seine mit dem damaligen jüdischen Lehrer Selig Louis Liepmannssohn verheiratete Tochter Johanna von 1849 bis 1852 mit ihrem Mann in Höxter lebte. Levi Rosenberg starb in Höxter und wurde auf dem jüdischen Friedhof begraben.

Alfred Rosenberg

Alfred Rosenberg (1888–1942), Sohn eines Pferdehändlers aus Münster, kam vielleicht wegen alter verwandtschaftlicher Beziehungen für ein Schuljahr (1904/05) nach Höxter, um am KWG die Mittlere Reife abzulegen. Er zog später nach Marburg, wo er um 1920 Estella Meyer (1895–1942) heiratete, und führte dort mit ihren Vater dort dessen Bekleidungsgeschäfts bis ins Dritte Reich hinein fort, bis sie es schließlich im Oktober 1938 aufgeben mussten.

In der Pogromnacht wurde Alfred Rosenberg verhaftet und nach Buchenwald verbracht. Seine Schwiegereltern zogen nach Rheydt in das jüdische Altersheim, wurden von dort 1942 nach Theresienstadt deportiert und dann in Treblinka ermordet. Alfred Rosenberg 1942 wurde mit seiner Frau und den Kindern Ruth (1922–1942) und Walter (1929–1942) nach Izbica deportiert. Letztere wurden nach wenigen Tagen in Sobibor ermordet, Alfred Rosenberg wenige Wochen später in Majdanek. (Genaueres siehe hier)

Fritz Ostkämper, 12.3.2016
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de