Jüdische Bürger in Höxter

Harry Frankenberg (5. von links) mit Ehefrau Daisy (von links), Enkel Justin Swercheck und den Töchtern Rochelle Swercheck und Helena Levenson. Fritz Ostkämper (rechts) von der Pins-Gesellschaft Höxter hatte den Kontakt geknüpft
Harry Frankenberg (5. von links) mit Ehefrau Daisy (von links), Enkel Justin Swercheck und den Töchtern Rochelle Swercheck und Helena Levenson. Fritz Ostkämper (rechts) von der Pins-Gesellschaft Höxter hatte den Kontakt geknüpft

Familie baut Brücke der Versöhnung –
Harry Frankenberg zu Besuch in Höxter und Vörden

Eine Familie auf Spurensuche.

Von Andreas Moseke

Marienmünster/Höxter (WB). Damals als Jude vertrieben, heute als Ehrengast empfangen: 72 Jahre nach seiner Flucht in die USA ist Harry Frankenberg (81) auf Spurensuche in seiner alten Heimat Vörden gegangen. Frankenberg ist waschechter Amerikaner. Dieser Eindruck entsteht, wenn der rüstige Senior aus seinem Leben berichtet. Er diente beim US-Militär. Als Verbindungsoffizier in Salzburg überprüfte er Regime-Flüchtlinge aus Ostblock-Staaten. Zuhause in Monroe Township, New Jersey, betrieb er mit seiner Ehefrau Daisy eine Hühnerfarm. Nach dem Militärdienst lernte er das Fleischerhandwerk, arbeitete 15 Jahre in einem Supermarkt und eröffnete zum Schluss sein eigenes kleines Geschäft.

Doch dann beginnt der 81-Jährige Deutsch zu reden, und es wird klar: Frankenbergs Leben in Amerika ist nur ein Teil seiner Geschichte. Geboren wurde Harry 1929 als Horst Frankenberg in Vörden. Dort besuchte er die Volksschule, sein Vater und sein Onkel handelten mit Dingen für den landwirtschaftlichen Bedarf. »Ich bin oft auf dem Pferdewagen mit zu den Bauern gefahren, die mein Vater beliefert hat«, erinnert sich der Ex-Vördener.

Harry Frankenberg mit seiner Familie vor dem Geburtshaus in Vörden (Foto: privat)

Mitte der 1930er Jahre aber hielt die Angst Einzug in das geordnete Leben, wie Frankenberg beschreibt. Immer häufiger wurde er als jüdischer Junge in der Schule gehänselt. Sein Vater verlor immer mehr Kunden: »Die Nationalsozialisten setzten langsam das Verbot durch, nicht mehr bei Juden zu kaufen.« Die Familie dachte aber nicht daran, ihre Heimat zu verlassen. Schließlich können die Frankenbergs auf einen weit verzweigten Stammbaum zurückblicken, sagt Harry.

Erst auf das Drängen von Harrys Tante Viola packte die Familie die Koffer. »Das war eine weise Entscheidung«, sagt der 81-Jährige ernst. Und fast wäre die Flucht noch gescheitert: Harrys Eltern und sein Onkel mitsamt Familie hatten die begehrten Ausreisepapiere nur bekommen, weil der überaus reiche Onkel Maurice Wertheimer aus den USA der Verwaltung eine große Summe zugesichert hatte. »Ein paar Tage vorher wurden wir trotzdem verhaftet.« In Höxter verhörten Gestapo-Männer die Familie. Erst das Geld befreite die Frankenbergs, und sie durften den Weg nach Bremerhaven zum rettenden Schiff antreten. Die USS Manhattan brachte sie nach New York und in die Freiheit.

Forschungen von Fritz Ostkämper, Vorstandsmitglied der Jacob-Pins-Gesellschaft, brachten Harry Frankenberg jetzt wieder zurück in seine alte Heimat. Seit 1988, dem Anfang des Wiedererinnerns in Höxter, arbeitet der Gymnasiallehrer die Schicksale der Höxteraner Juden auf. »Vor etwa zwei Jahren sind die Kontakte zur Familie von Harry Frankenberg entstanden«, sagt Ostkämper.

Am Freitag Morgen schließlich kamen sie in Höxter an. Tochter Helena verrät: »Ursprünglich wollten wir im August reisen. Mein Vater hat aber immer so vom Schützenfest in Vörden geschwärmt, dass wir kurzerhand umdisponiert haben.«

Mit freundlicher Genehmigung des Westfalen-Blattes, 29.6.2010

Harry Frankenberg mit seiner Frau Daisy an den Grabsteinen seiner Großeltern auf dem jüdischen Friedhof in Vörden. (Foto: Christine Longère/NW)

Siehe auch den Artikel “A Trip of Reconciliation for the Frankenbergs” aus der amerikanischen Zeitung “The Concordian“