Jüdische Bürger in Höxter

jp_1922lipper_568x350px

Wohltätige und kulturelle
Vereine der jüdischen Gemeinde

Mehrere Vereine verschiedener Art legen Zeugnis ab von einem lebendigen Leben der jüdischen Gemeinde in Höxter.
Älteste dieser Institutionen ist der Israelitischen Frauenverein, der in seinem Statut von 1869 in 1 seine Ziele formuliert: „Der Verein hat den Zweck, für die Unterstützung und Pflege seiner bedürftigen Mitglieder Sorge zu tragen, evtl. Liebesdienste bei sterbenden Mitgliedern und deren weiblichen Angehörigen bis zu ihrer Bestattung zu verrichten oder verrichten zu lassen und nach Umständen materielle Unterstützung auch Nichtmitgliedern zuzuwenden.“
Über die Gründung und Entwicklung des Vereins berichtet dessen Vorsitzende, Minna Löwenstein (Ehefrau von Jacob Löwenstein, der in der Westerbachstraße 5 eine Art Kaufhaus betrieb) 1912: „Die Veranlassung zur Gründung des israelitischen Frauenvereins zu Höxter, dessen Entstehen in das Jahr 1869 fiel, bot die Bedürftigkeit einer jüdischen Näherin. Die verdienstvolle Leiterin des Vereins war Frau S. Fraenkel als Vorsitzende und Frau Marcus als Kassiererin. Am 18.1.1906 übergab die würdige Vorsitzende der Schreiberin dieses Berichts die Leitung des Vereins. Die erste Sorge betraf die Schaffung der Statuten des Vereins. Herr M. Benjamin, ein geistig hervorragendes Mitglied der hiesigen israelitischen Gemeinde, entwarf die Statuten. Sie haben bis jetzt in jeder Weise genügt.“
In einem Zeitraum von 15 Jahren haben bedürftige Familien eine Unterstützung von insgesamt 2100 Mark erhalten, darunter eine Familie allein in den letzten drei Jahren 300 Mark. Auch bei Sterbefällen half der Verein, indem „in dankenswerter Weise von älteren Damen nach jüdischem Ritus“ Sterbekleider hergestellt wurden. Die jeweils gut besuchten Versammlungen fanden im Hause des Kaufmanns Philipp Netheim (Westerbachstraße 14) statt. Neben einem jährlichen Beitrag von fünf Mark finanzierte sich der Verein auch durch zahlreiche Spenden von Gemeindemitgliedern, worunter auch ein Eingang von 100 Mark „aus Afrika“ verzeichnet ist.

Soziale Zwecke verfolgte auch der Wohltätigkeitsverein nach dem Statut von 1887: „Der unter dem Namen Wohltätigkeitsverein hier gebildete Verein hat den Zweck, zunächst den Mitgliedern des Vereins in Krankheits- und Sterbefällen den erforderlichen Beistand zu geben sowie in Fällen materieller Not und Bedrängnis nach Maßgabe seines Vermögens Unterstützung zu Teil werden zu lassen. In dringlichen Fällen kann die Tätigkeit des Vereins auch auf Nichtmitglieder und Fremde ausgedehnt werden.“
1912 berichtete der Vorsitzende Marcus Benjamin, der bis 1905 einen Schuhbasar im Tillyhaus und später in der damaligen Brinkstraße 1 betrieben hatte, daß der Verein „in Folge der ungeordneten Verhältnisse in der Gemeinde bezüglich der Hilfeleistungen im Krankheitsfall und Sterbefällen“ entstanden ist. Der Verein bestand aus fast 30 Mitgliedern und verfügte über einen Fonds von 2800 Mark. Der Jahresbeitrag betrug drei Mark.

Die Armenunterstützungskasse wurde 1893 auf Initiative des Kaufmanns Israel Bernstein, der in der Westerbachstraße 18 mit „Eisen- und Stahlwaaren, Öfen, Herden, landwirtschaftlichen Maschinen“ handelte, ins Leben gerufen, um „dem lästigen Vagabundieren von Haus zu Haus ein Ende zu machen“. In einem Brief forderte er alle Gemeindemitglieder auf, „jüdischen Bettlern keinerlei Geldunterstützung zu gewähren, dieselben vielmehr energisch auf die Kasse zu verweisen.“
Nach dem Geschäftsbericht von 1894/95 wurden 88 Personen mit insgesamt 106 Mark unterstützt, darunter 30 Hausierer, zehn Kaufleute und der Rest zumeist Handwerker. Nicht jeder Bettler bekam jedoch Geld. Eine Liste verzeichnet zehn „Schwindler“, jeweils mit Angaben zu Person und Methode.

Wenig bekannt ist über den aus zwölf oder vierzehn Familien des Kreises bestehenden Literatur-Verein, in dem man „ausgezeichnete Vorträge von berühmten jüdischen Literaten“ hören konnte. Überliefert ist aber in den 1890er Jahren ein Vortrag des aus Höxter stammenden und in Berlin lebenden jüdischen Gelehrten Samson Hochfeld vor diesem Verein.

Fritz Ostkämper, 1.12.2005
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de