Eine Mikwe in Höxter
Unabdingbar für eine jüdische Gemeinde ist die Einrichtung einer Mikwe, eines rituellen Tauchbades, in dem all das abgewaschen wird, was als „unrein“ gilt. Handelt es sich bei Männern vor allem um Unreinheiten im übertragenen Sinn, aber z. B. auch nach dem Berühren von Toten, so benutzen die Frauen die Mikwe nach der Menstruation, vor der Hochzeit, nach der Geburt eines Kindes. Aber auch neue Schüsseln und Töpfe werden vor dem ersten Gebrauch darin ausgewaschen. Aus rituellen, aber letztlich natürlich hygienischen Gründen braucht man dafür fließendes oder Quellwasser.
Für die frühe Zeit schweigen hier die Archive. Zwar entdeckte die Höxteraner Stadtarchäologie im Bereich der Judengasse in einem Keller des 12./13. Jahrhunderts die Reste eines frei stehenden Beckens, das sich möglicherwiese als Mikwe interpretieren ließe. Die Versorgung dieser Anlage mit dem rituell geforderten Fließwasser wäre vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen gewesen, da zwischen der bereits vor 1218 durch die Judengasse geleiteten Westerbeke und einem älteren Rinnsal auf der Bachstraße ein Höhenunterschied von ca. 3 m besteht. Die Annahme einer Mikwe scheint jedoch kaum haltbar, zumal in dieser Zeit in Höxter noch keine Juden nachgewiesen sind.
Wahrscheinlicher ist es, dass dass die höxterschen Juden der Forderung nach dem Bad in „lebendigem“, also fließendem oder Quellwasser, dadurch Genüge taten, dass sie einen der zahlreichen Bäche nahe der Stadtmauer als Ritualbad benutzten. So ist auch wohl eine Quelle aus dem Jahr 1618 zu deuten, wonach Brakeler Juden einen Reichsthaler Strafe zahlen mussten, weil sie im Petersgraben von Höxter gebadet hatten.
1775 findet sich dann im Kirchenbuch von St. Nikolai eine Bestätigung, dass die Juden in Höxter ihr rituelles Reinigungsbad in fließendem Wasser nahmen. Dort heißt es: „In dem Thurm bei dem Stege, da man über die Grove gehet, ist abgebrochen im Krieg. Jenseits den Steg an der Mauer der Todtengräber Grupe sonst Rindfleisch. Darin baden sich die Juden“. Die Mikwe befand sich also zu dieser Zeit jenseits der Obermühle stadtauswärts auf der linken Seite des Baches. Darauf dürfte sich auch die Mietzahlung für das „Gemeinde-Bad“ von 2 Tlr. beziehen, die die jüdische Gemeinde 1822/23 an die Stadt Höxter entrichtete.
Erst im 19. Jahrhundert kam es dann zur Errichtung eine eigenen Mikwe, als die jüdische Gemeinde 1846 einen Garten hinter der 1834 eingeweihten Synagoge an der Nagelschmiedstraße erwarb und dort als Anbau zur Synagoge ein Frauenbad einrichtete, das bis zur Schändung und Verwüstung der Synagoge in der Pogromnacht 1938 benutzt wurde.