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Monografie Jacob Pins – Künstler, Sammler, Freund

12JACOB PINS MONOGRAFIE der Tierarztsohn dann zu dem Mitschüler gesagt: „Du weißt doch, du darfst dich mit mir nicht so oft sehen lassen!“ Zuhause habe Paul den Vater gefragt: „Warum soll ich mit Otto nicht gehen?“ Der Vater habe ihn dann aufgeklärt: „Weißt du, der ist doch Jude!“ 1934 schickten die Eltern Thedieck ihren Sohn Paul auf ein Internat. Die beiden Freunde sollten sich nie wie- dersehen. Paul starb 1945 in Gefangenschaft in Kiew. Bei einem der Besuche, die Jacob Pins seiner Geburtsstadt ab- statte, sprach Ilse Ohlms ihn an: „Ich bin die Schwester von Paul Thedieck.“ Jacob Pins erinnerte sich sofort: „Ach! Die Ilse?“ Die einstige Nachbarstochter war gerührt, dass der Gast aus Jerusalem nach Jahrzehnten noch ihren Na- men wusste. Von 1927 bis September 1933 war Jacob Pins – da- mals noch Otto – Schüler des König-Wilhelm-Gymnasiums in Höxter. Nachdem die Höxteraner Friedensinitiative Kon- takt mit ihm aufgenommen hatte, schilderte er 1988 in ei- nem Brief eine Begebenheit aus der Schulzeit, die sich im November 1932 ereignete: Studienrat Ummen war Klassenlehrer der Unterse- kunda, in der ich der einzige jüdische Schüler war. Politisch war die Stimmung schon sehr gespannt, und in der Klasse gab es bereits viele Nazis. Studienrat Ummen gab den Ge- schichtsunterricht und behandelte an diesem Tag den Kul- turkampf zwischen Papst und Bismarck. Herr Ummen do- zierte: „… der Papst als Friedensfürst versuchte …“ Darauf Gebrumme in der Klasse. Ummen wendet sich zur Klasse: „Was ist da zu brummen?“ Einer der Brummer erhebt sich und meint, das stimme nicht, der Papst als Friedensfürst. Ummen: „Das stimmt nicht??? Das soll aber stimmen. Das ist der gleiche Unsinn wie ihr Nazis mit eurem Antisemitis- mus!“ Und nun legt er mit einer 15 Minuten langen Litanei gegen die Nazis los und verteidigt die Juden. Es war fast, als ob er auf solch eine Gelegenheit gewartet hätte. Einige Monate später erwarb Otto Pins das Einjäh- rige, nur wenige Tage nach dem ersten großen offiziellen Boykott aller Juden. Er stand vor der Frage, ob er an der tra- ditionellen Einjährigen-Feier teilnehmen sollte oder nicht. In keiner Weise sei er in der Stimmung dazu gewesen, schrieb er 55 Jahre später in dem erwähnten Brief, und er sei auch nicht sicher gewesen, ob es nicht „bei einem solchen Ge- lage“ zu ausfälligen Bemerkungen oder gar Tätlichkeiten hätte kommen können. Andererseits erschien es ihm auch nicht ratsam, sich als Einziger auszuschließen. In diesem Dilemma beschloss er Studienrat Ummen zu fragen. Die klare Antwort habe gelautet: „Du gehörst dazu und alles Weitere überlasse mir!“ Alles ging gut, es wurde sogar „eine nette Feier ohne politische Bemerkungen“. Für den Gymna- siasten war es die letzte Feier, der Abschluss seiner Jugend und einer Zeitepoche. Jahrzehnte danach rief ein Enkel von Studienrat Um- men, Ricklef Münnich, Jacob Pins in bestem Hebräisch an. Er studierte zu dieser Zeit Theologie und absolvierte seine hebräischen Studien an der Universität von Jerusa- lem. Seine Eltern hatten über den Höxteraner Fabrikanten Arnulf Ummen von der Haltung seines Großvaters gehört und ihn ermuntert, Kontakt mit Jacob Pins aufzunehmen. Über die darauf folgenden Besuche habe er sich sehr ge- freut, versicherte Pins. Es waren vor allem Menschen wie Studienrat Ummen, der Zahnarzt Bender oder der Buch- händler Henze, die Jacob Pins den Weg zurück nach Höx- ter ermöglichten. „Das stimmt nicht??? Das soll aber stimmen. Das ist der gleiche Unsinn wie ihr Nazis mit eurem Antisemitismus!“

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