Jüdische Bürger in Höxter

Juden der ärmeren Schicht – die Familie Hochfeld

Die Vorfahren der seit 1810 in Höxter verzeichneten Familie Hochfeld lebten in dem Dorf Bega (Dörentrup), wo der Stammvater Samson Isaac (1730–1794/95), genannt Schamschen Bega, geboren wurde und mit seiner aus Polle gebürtigen Frau Fretgen/Fratgen Isaak [Wolf] (1739–1839) als koscherer Schlachter und Metzger genannt wird. Das Ehepaar hatte sechs Kinder. Der Sohn Salomon Samson blieb anscheinend als Handelsjude in Bega, während von seinem Bruder Isaac Samson (* 1770) der in der Folge in Lemgo wohnende Zweig der Familie abstammt, auf den hier jedoch nicht eingegangen werden kann.

Nach dem Tod ihres Mannes blieb seine Frau Fretgen zunächst offenbar in Bega, entschloss sich jedoch 1810 mit den anderen vier erwachsenen Kinder nach Höxter zu ziehen, um hier im Königreich Westphalen des Napoléon-Bruders Jérôme die „Segnungen der Emancipation zu genießen“, wie es in einer Quelle heißt. Sie war auch die erste, die nach ihrem Tod mit 99 ½ Jahren auf dem neuen jüdischen Friedhof an der Gartenstraße begraben wurde. Während die einzige Tochter Hendel (* 1790) anscheinend ihre alte Mutter versorgte, gründeten ihre drei Brüder in Höxter eigene Familien, zählten allerdings zu den ärmeren Juden, und erst ihre Nachkommen konnten sich einen gewissen Wohlstand erwerben.

Der älteste Sohn Juda Samson (1774–1853), in erster Ehe mit Gitel Naphtali (1782–1834), in zweiter mit Hebbe Weinberg (1803–1873) verheiratet, war ein armer Seifensieder, der einen Sohn zeitweise nicht zur Schule schickte, weil er die festgesetzten Cultus-Kosten nicht bezahlen konnte und wohl auch nicht wollte. Auch sonst kam es zwischen ihm und der Gemeinde sowie dem jüdischen Lehrer mehrfach zu Konflikten, weil er sich den Regelungen der Gemeinde nicht fügte, so dass er sogar zeitweise von „allen Ehren des Tempels ausgeschlossen“ war.

Ruben Samson (1779–1848) zog nach der Heirat mit Hendel Baer Lohmann (1788–1834) zunächst von Bega in ihren Geburtsort Sonneberg (Barntrup) und ging dann mit der Familie für kürzere Zeit nach Born und Vörden, bevor er etwa ab etwa 1811 mit Frau und Kindern in Höxter lebte. Spätestens ab 1834 wohnte er als Religionslehrer und Vorsänger in der Lehrerwohnung an der Synagoge und erteilte von 1838 bis 1848 den Religionsunterricht für die Kinder der Gemeinde.

Auch Aron Samson (1784–1872), in erster Ehe mit Röschen Meyer (1792–1831), in zweiter mit Zipora Goldschmidt (1799–1871) aus Springe verheiratet, war arm und lehnte deshalb einen Beitrag zur jüdischen Marx-Haindorf-Stiftung „unter dem Vorgeben ab, daß es [ihm] ohnehin schwer werde, [die] gewöhnlichen Steuern und Abgaben aufzubringen.“ Er war in Höxter besonders bekannt, weil er mit seinen Söhnen eine Art Stadtkapelle unterhielt.

Aron Samson Hochfeld um 1850 auf einer Zeichnung
Aron Samson Hochfeld um 1850 auf einer Zeichnung

„Familie Hochfeld, Vater und seine fünf Söhne: Michel, Itzig, Mathies, David, Josef, der Vetter Schmul Hochfeld und der Lehrling Heinemann bildeten die Stadtkapelle. Der Alte strich den Baß, Michel die erste Violine, Mathies die zweite, Itzig die Bratsche, David blies Trompete, Schmul spielte Klarinette, Josef die Flöte und der Lehrling half Josef mit bei der Flöte. Sie spielten alle sehr gut und nur gute Sachen. Mozart, Beethoven, Lortzing, Flotow, Verdi etc. gehörten zu ihrem ständigen Repertoire. Sonntags spielten sie regelmäßig auf dem Felsenkeller, und Michel ging bei den Gästen herum und sammelte die Gelder ein. Man gab ihm ein „Kastenmännchen“ (2 ½ Silbergroschen). Alle Spieler stimmten gut zusammen, und nur der Flötenbläser Josef verlor manchmal die Noten und den Takt. Er war immer hungrig, und wenn er einen Gast sah, der ein Butterbrot mit Schinken verzehrte, dann lief ihm das Wasser im Munde zusammen, und er kam aus dem Takte. Aber er wußte sich zu helfen. Er blies dann über das Loch der Flöte weg; man hörte nur pf! pf! pf! und dazwischen den leisen Ruf „Heinemann, wo ist es?“ pf! pf!, bis er den Takt wieder hatte.
Abends hörte man oft das schöne Lied aus dem Freischütz von Carl Maria von Weber: „Leise, leise, fromme Weise“; dann wußte man, die Hochfelder brachten irgend einem Geburtstagskinde oder einer Braut eine Serenade und jeder freute sich über die schöne Musik. Michel gab mir Geigenunterricht: zwölf Stunden für ein Thaler…“
(Hermann Krekeler: Höxter Dönekens aus unserer Väter Tagen)

Der Grabstein von Samson Hochfeld auf dem jüdischen Friedhof in Lüchtringen
Der Grabstein von Samson Hochfeld auf dem jüdischen Friedhof in Lüchtringen

Die drei Brüder hatten zusammen 24 Kinder, von denen aber etliche jung starben. Auf die später in Minden lebenden Kinder von Ruben kann hier nicht eingegangen werden. In der Umgebung von Höxter blieben seine Tochter Hanne (* 1811) als dritte Ehefrau des Löwendorfers Juda Lipper (1814–1885) (später nach Nammen verzogen) und sein Sohn, der Musiker Samson Hochfeld (1809–1854), der in Lüchtringen mit der Metzgertochter Fanny Steinberg (1811–1857) verheiratet war, eine Ehe die kinderlos blieb. Sein Grabstein ist als einziger auf dem dortigen jüdischen Friedhof erhalten. Zu erwähnen ist außerdem Rubens Sohn Isaak Hochfeld (* 1813), der nach seiner Ausbildung an der Haindorfschen Anstalt in Münster 1843 in Soest die Prüfung zum Elementarlehrer bestand und in Velbert (1843) und Olfen (1851–1853) als jüdischer Lehrer genannt wird und später offenbar in Minden lebte (1870, 1880).

Anzeige Samuel Hochfelds vom 20.12.1873
Anzeige Samuel Hochfelds vom 20.12.1873
Das von Samuel Hochfeld gegründete und von Schwiegersohn und Tochter fortgeführte Photographische Atelier in der Stummrigestr. 4
Das von Samuel Hochfeld gegründete und von Schwiegersohn und Tochter fortgeführte Photographische Atelier in der Stummrigestr. 4

Judas Sohn Samuel Hochfeld (1839–1912), verheiratet mit Jeanette Weil (1850–1919) aus Sommersell, lebte als Uhrmacher in Höxter und eröffnete dann um die Jahrhundertwende in der Stummrigestr. 4 das Photoatelier „Victoria“, das nach seinem Tod vom Schwiegersohn Armand Ahron (1873-1933) übernommen und nach dessen Tod von seiner Frau Hedwig, geb. Hochfeld (1879–1942) bis ins Dritte Reich hinein weitergeführt wurde. Sie wurde nach Theresienstadt deportiert und ist verschollen. Ihre Tochter Gertrud (1903–1991) konnte 1939 mit ihrem Mann Max Israelsohn (1901–1967) und der Tochter Suse Anna (* 1935) nach England auswandern, wo letztere heute mit Tochter und Enkel lebt. Siehe hier.

Der Grabstein von Johanne Rothenberg geb. Hochfeld auf dem jüdischen Friedhof in Mackensen
Der Grabstein von Johanne Rothenberg geb. Hochfeld auf dem jüdischen Friedhof in Mackensen

Zwei Kinder Judas zogen aus Höxter fort. Die Tochter Johanne (1818–1864) war in dessen zweiter Ehe in Mackensen mit Ruben David Rothenberg (1797–1867) verheiratet und hatte mit ihm vier Kinder, von denen ein Sohn in Hannover starb, während die drei anderen Söhne im Dritten Reich ins Exil flohen. Johannes Bruder Heinrich (Herz) Juda Hochfeld (1815–1897) gehörte als Hofmusiker der Fürstlich Lippischen Hofkapelle in Detmold an. Er hatte mit seiner Frau Amalie Berliner acht Kinder, von denen einige wohl früh starben. Die anderen lebten später überwiegend in England.

Zeitungsanzeige der „Kleidermacherin“ Hannchen Hochfeld vom 31.1.1874
Zeitungsanzeige der „Kleidermacherin“ Hannchen Hochfeld vom 31.1.1874

Mehrere der zehn Kinder Aron Hochfelds blieben in Höxter. Die Tochter Hannchen (1821–1887), Näherin, blieb ebenso unverheiratet wie ihr Bruder Itzig (1829–1897), der bucklig war und wie sein Vater als Musiker seinen Lebensunterhalt verdiente. Die mit Joseph Weil (um 1835 – 1910) verheiratete Tochter Gelle (Julia) (1835–1910) und ihr Bruder David (1843–1917) wanderten nach England aus, wo letzterer mit seiner Frau Hanna Homer (* 1849) dann als Hockfield erscheint. Zwei Söhne Aron Hochfelds aber gründeten in Höxter eigene Familien.

Der Auktionskommissar Joseph Hochfeld und seine Kinder

Das Möbelgeschäft Hochfeld im Tillyhaus an der Westerbachstraße (um 1898)
Das Möbelgeschäft Hochfeld im Tillyhaus an der Westerbachstraße (um 1898)

Joseph Hochfeld (1832–1905), Sohn von Aron Samson, hatte mit seiner aus Springe stammenden Frau Minna Goldschmidt (1843–1909) insgesamt 15 Kinder, allerdings starben mehrere früh. Er war „Auctions-Commissar“ und versuchte das offensichtlich recht geringe Familieneinkommen durch den Handel mit Möbel- und Polsterwaren sowie als Vertreter einer königlich-preußischen Hof-Pianoforte-Fabrik aufzubessern. Dazu war er Gerichtstaxator für Mobilien, Auswanderungsagent des Norddeutschen Lloyd und zeitweise auch Vermögensverwalter. In Höxter wurde er außerdem zum Schriftführer des 1864 gegründeten Turnvereins gewählt. 1901 zog er mit seiner Frau nach Hannover, wo er auch noch ein Büro betrieb und wo beide starben.

Fünf der zahlreichen Anzeigen Josef Hochfelds zwischen 1870 und 1900
Fünf der zahlreichen Anzeigen Josef Hochfelds zwischen 1870 und 1900

Die Tochter Frieda (1868–1942) heiratete den aus Schötmar stammenden Viehhändler Max Hamlet (1871–1937). 1900 zogen sie nach England, wo Max Hamlet 1916 als „enemy alien” inhaftiert wurde. Nach dem Krieg lebte das Ehepaar zunächst in Hamburg, zog aber 1925 nach Detmold, wo Max Hamlet eine Produktenhandlung betrieb, bis diese 1926 zwangsversteigert wurde. Das Ehepaar ging wieder nach Hamburg, wo Frieda Hamlet auch nach dem Tod ihres in Detmold gestorbenen Mannes blieb. 1942 wurde sie von dort nach Theresienstadt und wenige Wochen später zur Ermordung nach Treblinka deportiert. Der einzige Sohn Alfred (* 1897), im Ersten Weltkrieg durch Kampfgas und einen Steckschuss verwundet, ging nach Belgien ins Exil. Dort wird er 1940 letztmalig als Patient eines Lazaretts genannt (Nierenleiden).

Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von Edgar Hochfeld zum 27.3.1941
Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft von Edgar Hochfeld zum 27.3.1941

Josef Hochfelds Sohn Max (Mathias) (1869–1942) musste das Höxteraner Gymnasium wegen „unverbesserlicher Faulheit“ verlassen. Er lebte als Möbelfabrikant in Hamburg und wird dort später als Kaufmann für „religiöse Kunst“ genannt. Er war zunächst mit Rosa Meyer und dann mit der evangelischen Engländerin Mary Day (1878–1921) verheiratet. Während der Sohn Edgar (* 1908) ins Exil fliehen konnte, wurde Max Hochfeld, seit dem Tod seiner Frau ohne den Schutz der „arischen Mischehe“, am 15.7.1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er nach sechs Wochen umkam. Seine Tochter Erna Alice (1900–1942), die in Kassel mit Willi Wolff (1897–1942) verheiratet war, wurde mit ihm am 24.10.1941 von Berlin nach Lodz deportiert und am 5.5.1942 in Chelmno ermordet.

Josef Hochfelds Tochter Bertha (* 1870) heiratete 1900 den in Hannover geborenen Bankkaufmann Julius Marcus (* 1872) und hatte mit ihm zwei Kinder. Ihr Mann war nach dem Scheitern eines Geschäfts in Holzminden und verschiedenen Anstellungen 1904-1913 als Rendant der Israelitischen Erziehungsanstalt in Ahlem und dann bis 1920 an der Israelitischen Krankenanstalt in Breslau beschäftigt. Für eine zugesagte Stelle in Posen wurde ihm die Einreise verweigert, und er arbeitete in der Folgezeit in verschiedenen Geschäften. Weitere Informationen über die Familie sind nicht bekannt.

Zuerkennung der amerikanischen Staatsbürgerschaft Josef Hochfelds am 16.11.1953
Zuerkennung der amerikanischen Staatsbürgerschaft Josef Hochfelds am 16.11.1953

Der Sohn Alex(ander) Aron (1876–1951) wurde nach dem Besuch des Gymnasiums Kaufmann in Hamburg. Er konnte spätestens im September 1940 mit seiner Frau Selma Kalkstein (1879–1955) nach Tientsin (China) emigrieren. Über Yokohama (Japan) gelangten die beiden 1950 in die USA. Der Sohn Josef (1912–2004) meldete sich bereits 1939 nach Brasilien ab, gelangte aber wie die Eltern nach China und dann 1948 von Shanghai in die USA.

Erna Dankowitz, geb. Hochfeld
Erna Dankowitz, geb. Hochfeld

Seine in Hamburg mit dem in Krakau geborenen Handelsagenten Berel Dankowitz (* 1890) verheiratete Schwester Erna (* 1914) rettete sich zunächst mit ihrem Mann nach Antwerpen in Belgien, wo die Tochter Solange (* 1941) geboren wurde. 1942 wurde die Familie jedoch in der Kazerne Dossin in Mechelen inhaftiert und am 24.10.1942 von dort zur Ermordung nach Auschwitz deportiert.

Milius Hochfeld 1888 als Sextaner (wahrscheinlich)
Milius Hochfeld 1888 als Sextaner (wahrscheinlich)

Josef Hochfelds Sohn Milius (1877-1945) wurde nach dem Gymnasialbesuch Kaufmann und war später Inhaber eines gut gehenden Möbelgeschäfts in Hamburg. 1923 spendete er 10.000 (Inflations-)Mark für die Bedürftigen in Höxter. 1904 heiratete er die Hamburgerin Mathilde Heinemann (1872–1942) und hatte mit ihr drei Kinder. 1925 ließ er sich scheiden und heiratete im folgenden Jahr die ebenfalls im Hamburg geborene evangelische Johanna Erna Stahl (* 1901), mit der er zwei weitere Kinder hatte.

Zu Beginn des Dritten Reiches war Milius Hochfeld 1933 zehn Tage in Haft, wurde jedoch dank der Bemühungen seiner Frau wieder entlassen. Als in Mischehe lebender Jude blieb er in der folgenden Zeit im Wesentlichen unbehelligt und trat 1938 auch aus der Reichsvereinigung der Juden aus. Trotzdem blieb er in den folgenden Jahren nicht von Schikanen verschont, wenn er etwa bei Arztbesuchen verschwieg, dass er weiterhin als Jude galt.

Als den Juden 1938 die eigene Geschäftstätigkeit verboten wurde, übernahm seine Frau die bis dahin noch von Milius geführte Tischlerei und die Möbelvertretungen, bis der Betrieb im Juli 1943 ausgebombt wurde. Die Familie wurde nach Bayern evakuiert, dort aber wegen des jüdischen Vaters benachteiligt. Vielleicht weil es aus diesem Grund auch zu Konflikten zwischen den Ehepartner kam, kehrte Milius Hochfeld Ende 1943/Anfang 1944 nach Hamburg zurück, und die Ehe wurde im Oktober 1944 geschieden. Zwar blieb Milius wegen seiner Mischehe die Deportation in die Vernichtungslager erspart, aber Anfang seit Juni 1944 war er zunächst im Gefängnis Fuhlsbüttel und dann im KZ Neuengamme inhaftiert. Entkräftet und krank von den Folgen der Haft starb er kurz nach Kriegsende am 26.5.1945 in Bremen-Unterstedt.

Während die Kinder Marion (1927–1978) und Siegfried (* 1931) aus der zweiten Ehe in Deutschland überlebten, emigrierten die drei Kinder Else (Elsie) (1905–2000), Irma (1906–1986) und Erich (1914–1981) aus der ersten Ehe in den 1930er Jahren aus Deutschland und lebten später in den USA bzw. in Argentinien.

Julius Hochfeld (um 1925) und Lebenslauf (1948)
Julius Hochfeld (um 1925) und Lebenslauf (1948)

Salomon Julius Hochfeld (1880–1959) musste das Gymnasium „wegen Faulheit“ verlassen. Er besuchte nach einer Lehre die Maschinenbauschule in Holzminden und ließ sich danach zum Schiffsingenieur ausbilden. Anschließend fuhr er 16 Jahre lang als Schiffsingenieur des Norddeutschen Lloyd zur See und gehörte am 30.6.1900 zur Besatzung der „SS Main“ des Norddeutschen Lloyd, als diese bei einem Brand in den New Yorker Docks sank (Dokumente). Im 1. Weltkrieg zur Kriegsmarine eingezogen, arbeitete er nach dem Krieg als Ingenieur und technischer Zeichner in Hamburg und gründete dort 1923 eine eigene Fabrik für Büromöbel und Zubehör, bis diese 1938 arisiert wurde. Daraufhin emigrierte er Ende des Jahres mit seiner Frau Rosa(lie) Bergmann (1889–1978) in die USA, wo er als Schiffsbauingenieur bei verschiedenen Firmen arbeitete und 1959 starb.

Julie und Alfred Hochfeld, <br>© Julia Maria Hochfeld
Julie und Alfred Hochfeld,
© Julia Maria Hochfeld

Josef Hochfelds jüngster Sohn Alfred Hochfeld (* 1881) lebte mit seiner Frau Julie Linz (* 1880) als Metzgermeister mit eigenem Laden in Hamburg, bis er dort 1925 als Chauffeur in der Warenauslieferung in das Möbelgeschäft seines Bruders Julius eintrat. Nach der Emigration seines Bruders 1938 wurde er jedoch erwerbslos. Die Familie suchte sich eine kleinere Wohnung, bis sie dann 1942 in ein „Judenhaus“ ziehen musste. Von dort wurden Alfred und Julie Hochfeld am 15.7.1942 nach Theresienstadt und dann knapp zwei Jahre später zur Ermordung nach Auschwitz deportiert.

Der Sohn Hans-Joachim (* 1911) war bis 1936 Jurastudent, durfte aber dann sein Studium nicht beenden, da er wegen seiner jüdischen Herkunft nicht mehr zum Examen zugelassen wurde. Ab 1936 arbeitete er als Volontär im Maurerhandwerk, bis er sich Ende 1938 – noch bei seinen Eltern wohnend – entschloss, nach Brasilien auszuwandern, wodurch es ihm gelang, dem tragischen Schicksal seiner Eltern zu entgehen. Seine Tochter Julia Maria kam 2016 zum Besuch nach Hamburg. Siehe auch Stolpersteine in Hamburg.

Der Musiker Michael Hochfeld und seine Kinder

In der ganzen Stadt bekannt war der Musikus Michael Hochfeld (1823–1899), Sohn von Aron Samson, der die musikalische Tradition seines Vaters fortsetzte. Bereits als junger Mann war er 1845 Gründungsmitglied des Gesangvereins „Liedertafel“, den er danach 50 Jahre lang als Dirigent leitete.

Der Gesangverein „Liedertafel“ mit Michel Hochfeld (sitzend, Mitte) um 1880
Der Gesangverein „Liedertafel“ mit Michel Hochfeld (sitzend, Mitte) um 1880
Anzeige vom 4.7.1874 u.ö.
Anzeige vom 4.7.1874 u.ö.

Er war mit Jenny Strauß (1840–1924) aus Wehrdorf verheiratet, und verdiente den Lebensunterhalt der Familie als Musiklehrer, der die Kinder der Bürgerfamilien an der Geige unterrichtete. Wohl eher vereinzelt verlieh er auch Instrumente.

Der 1944 zerschlagene Grabstein für Rosa Hochfeld
Der 1944 zerschlagene Grabstein für Rosa Hochfeld

Außerdem übernahm er von seinem Vater die Leitung der vor allem aus Familienmitgliedern bestehenden Musikkapelle, die in Höxter als eine Stadtkapelle galt, und spielte mit ihr regelmäßig im damaligen Felsenkeller, bei den verschiedensten öffentlichen Anlässen, aber auch in den Straßen auf, und die Kapelle begleitete etwa auch Feste des Gymnasiums mit ihrer Musik. Auch für Geburtstagsständchen und ähnliche Feiern wurden die Hochfelds gern engagiert.

Das Ehepaar hatt sechs Kinder, von denen jedoch nur zwei das Erwachsenenalter erreichten. Die unverheiratete Tochter Rosa (1874–1935), über die nichts Weiteres bekannt ist, lebte zumindest zeitweise in Hannover. Sie wurde 1935 auf dem jüdischen Friedhof in Höxter begraben.

Dr. Samson Hochfeld – Rabbiner und Gelehrter

Samson Höchfeld (links) 1888 beim Abitur
Samson Höchfeld (links) 1888 beim Abitur

Samson Hochfeld (1871–1921), Sohn des Musikus Michael Hochfeld, wurde zu einem wichtigen Vertreter des liberalen Reformjudentums in Deutschland. Er legte am KWG das Abitur ab und studierte dann, finanziert von der Höxteraner jüdischen Gemeinde, in Berlin und Halle jüdische Theologie, wo er 1893 über syrische Fabelliteratur promovierte. 1897 wurde er nach bestandenem Rabbinatsexamen zum Rabbiner in Frankfurt/Oder berufen und ab 1903 Rabbiner in Düsseldorf, wo er die dortige neue Synagoge einweihen konnte. Als er 1907 nach Berlin zurückberufen wurde, trauerte ihm die Gemeinde auch wegen seiner Rednergabe nach, die man bei seinem Nachfolger Leo Baeck (später in der Zeit des Dritten Reiches Präsident der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland) vermisste. Den „rhetorisch glänzenden Dr. Hochfeld“ dagegen lud man überall gern zu Vorträgen ein, unter anderem auch 1898 in seine Geburtsstadt Höxter.

Dr. Samson Hochfeld (um 1912)
Dr. Samson Hochfeld (um 1912)
Nachruf der Jüdischen Gemeinde Berlin auf Samson Hochfeld
Nachruf der Jüdischen Gemeinde Berlin auf Samson Hochfeld

In den folgenden Jahrzehnten bis zu seinem Tod wirkte er in Berlin als Rabbiner der Neuen Synagoge an der Fasanenstraße (nach deren Zerstörung 1938 steht dort heute das jüdische Gemeindehaus). Daneben lehrte er von 1908 bis 1921 als Dozent an der „Lehranstalt für das Studium des Judentums“ und machte sich auch durch seine Veröffentlichungen einen Namen: „Kinderpredigten“ (1901), „Kriegspredigten“ (1918), weitere gedruckte Predigten, Herausgabe der Festschriften für die akademischen Lehrer David Cassel und Siegmund Maybaum etc.

Besondere Bedeutung hat Samson Hochfeld als einer der Vertreter des liberalen Judentums und gehörte der „Gesellschaft zur Foerderung der Wissenschaft des Judentums“ an. Er arbeite an den „Richtlinien für ein liberales Judentum“ (1912) mit, die die historisch-kritische Sichtung der religiösen Schriften zum Programm erhob, und war mit Leo Baeck und anderen Mitherausgeber und Autor der fünfbändigen „Lehren des Judentums nach den Quellen“ (1920ff). Er starb jedoch 1921 nach der Veröffentlichung des zweiten Bandes und wurde in der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee beigesetzt.

Das Grab von Dr. Samson und Gertrud Hochfeld in der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee
Das Grab von Dr. Samson und Gertrud Hochfeld in der Ehrenreihe des jüdischen Friedhofs in Berlin-Weißensee

Samson Hochfeld war verheiratet mit Gertrud Alexander (1876–1934). Der ältere Sohn Ernst Michael (1900–1944) wurde nach Trawniki und dann weiter nach Treblinka deportiert und dort ermordet wurde. Der jüngere Sohn Max (1906–1958) wanderte 1938 in die USA aus, wo er den Namen Holden annahm. Sein Sohn Ronald (* 1942) lebt als bekannter Gastrokritiker in Seattle, Washington, von wo er mit seinem Bruder David (* 1944) im Februar 2015 auf den Spuren seiner Familie nach Höxter kam.

Chronicles af Jewish life (and death) in Höxter
Stones

Fritz Ostkämper, 22.10.2021
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de