Jacob Pins Leben und Werk

Die Familie Pins

Die Familie Pins zählt zu den sephardischen Juden, die sich nach der Zerstörung des Tempels auf der iberischen Halbinsel niedergelassen hatten. In der Folge des Alhambra-Edikts der spanischen Könige Ferdinand II. und Isabella I. im Jahr 1492 und der Einführung der Inquisition in Portugal 1531 vor die Wahl Exil oder Konversion zum Christentum gestellt, zogen viele von ihnen das Exil vor. Ein Teil von ihnen ging in der Folgezeit in die Niederlande, die sich von der spanischen Herrschaft befreiten und wo auch die Juden ihre Religion leben durften.

Zu ihnen zählten auch die Vorfahren der Familie Pins, die nach der Familienüberlieferung den Namen del Pinto führten, ein Name der in den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 17. und im 18. Jahrhundert immer wieder belegt ist, ohne dass aber die Verbindung zur Familie Pins genauer zu belegen ist. Offenbar zogen aber Angehörige der Familie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ins Münsterland, wo erstmals 1667 in Dülmen ein Joseph erscheint, dessen Söhne Isaak Joseph und Benedikt Joseph in der folgenden Zeit häufiger genannt werden, letzterer den Quellen zufolge bereits um 1724 im Volksmund gewöhnlich als „Pintz Jude“ bezeichnet.

Hier ist nicht der Ort für eine ausführliche Darstellungen der zahlreichen Nachkommen der Familie Pins und ihre vielfältigen Verästelungen (der Stammbaum umfasst über 300 Namen!). Die folgende Darstellung konzentriert sich vielmehr auf die Vorgeschichte und die Vorfahren der später in Höxter ansässigen Familie des Tierarztes Dr. Leo Pins, dessen Sohn Otto (Jacob) dem Forum Jacob Pins seinen Namen gegeben hat.

Der bereits genannt Benedikt Joseph, der in Dülmen in der Königstraße ein Haus besaß, hatte (mindestens) zwei Söhne, von denen Isaac (Itzig) Benedict (1704–1773), der jüngere, in Dülmen blieb, während auf seinen Bruder Leffmann (Leib) Benedict der Zweig der Familie in Olfen zurückgeht. Auch Isaac Benedicts Sohn Joseph Isaac ist zumindest zeitweise in Olfen verzeichnet, wo er 1773 vergleitet wurde, lebte jedoch in der Folgezeit in Dülmen und nahm dort 1813 ebenso wie seine drei Söhne den Namen Pins an.

Während Joseph Isaacs jüngster Sohn Marcus Joseph (1776–1843) später als Lehrer in Olfen lebte, kam es durch dessen Bruder Herz Joseph (1772–1820) zur Verbindung mit der Dülmener Familie Bendix, die dort ein Textilunternehmen betrieb, das in den 1920er Jahren der größte Arbeitgeber in Dülmen war. Nach zeitweiliger Stilllegung durch das NS-Regime wurde die Firma nach dem Krieg wieder eröffnet, bis sie schließlich wegen der Krise der münsterländischen Textilunternehmen 1993 geschlossen wurde.

Die spätere Höxteraner Familie Pins geht dagegen auf Joseph Isaacs ältesten Sohn Levy (Arjeh) Joseph Pins (1770–1824) zurück, der 1806 mit seiner Frau Sara Natan und seiner Familie als Kaufmann im Haus Dülmen, Nr. 47 wohnte. Das Ehepaar hatte acht Kinder, über deren Leben und Nachkommenschaft viele Informationen bekannt sind. Jedoch kann hier nur auf den ältesten Sohn Isaac Levy Pins (1798–1876) eingegangen werden, den Urgroßvater von Jacob Pins.

Dieser Isaac Levy Pins heiratete 1824 die ebenfalls in Dülmen geborene Hanna Herz Stern (1802–1881) aus Gemen und hatte mit ihr neun Kinder, von denen die drei Söhne Levy (1825–1915), David (1838–1933) und Herz (1841–1924) in Dülmen blieben, während ihr jüngster Bruder Nathan (1848–1935) nach seiner Heirat nach Lüdinghausen zog. Der als achtes der Kinder geborene Herz Pins war der Großvater des Holzschneiders und Malers Jacob (Otto) Pins, dessen Namen heute das Museum in Höxter trägt.

Herz Pins und seine Nachkommen

Herz Pins mit einem seiner Brüder, wohl um 1915 (wer ist wer?)
Herz Pins mit einem seiner Brüder, wohl um 1915 (wer ist wer?)

Herz Pins (1841–1924), der in Dülmen als Viehhändler den Lebensunterhalt der Familie verdiente, heiratete um 1878 die aus Blankenstein (Bochum) stammende Friederike (Rica) Blume (1853–1890) und hatte mit ihr sechs Kinder. Das Schicksal ihrer Familien soll hier genauer dargestellt werden, denn sie waren die nächsten Verwandten von Jacob Pins und zu ihnen hatte er enge Kontakte.

Herz und Rica Pins’ älteste Tochter Johanna (* 1879) war in Lemgo mit dem aus Silixen stammenden Isaak Katz (* 1884) verheiratet. Während ihre drei Kinder Edith (1912–2011), Anny (1916–2005) und Adolf im Dritten Reich nach Argentinien emigrieren konnten, wurden ihre Eltern am 1.8.1942 nach Theresienstadt und von dort am 15.5.1944 zur Ermordung nach Auschwitz deportiert.

Herz Pins ältester Sohn Max (1880–1973) heiratete die in Barntrup geborene Johanna Katz (1896–1973) und lebte mit seiner Familie in Dülmen. Zusammen mit ihren zwei Söhnen Walter (1919–2000) und Günter (1921–2007) konnte die Familie im April 1939 nach Argentinien auswandern und so der Vernichtung im Dritten Reich entkommen. Letzterer kam nach 1988 mehrfach zum Besuch nach Dülmen.

Der später mit seiner in Fürstenau geborenen Frau Ida Lipper (1883–1944) und den Söhnen Otto und Rudolf in Höxter lebende Tierarzt Dr. Leo Pins (1884–1944) war das dritte Kind von Herz und Rica Pins. Während es den Eltern gelang, ihre beiden Söhne 1934 bzw. 1936 ins Ausland zu retten und sie so vor dem Holocust zu bewahren, wurden Leo und Ida Pins am 13.12.1941 nach Riga deportiert und dort im Juli 1944 ermordet. Das Leben und Schicksal dieser Familie wird an anderer Stelle genauer dargestellt.

Adolf Pins (1885–1966) war das vierte Kind von Herz und Rica Pins. Er heiratete seine in Barntrup geborene Schwägerin Hedwig Katz (1897–1977) aus Barntrup und lebte mit ihr in Dülmen, wo auch die beiden Söhnen Harry (* 1924) und Kurt (* 1928) geboren wurden. Drei Monate vor der Pogromnacht gelang der Familie im August 1938 die Flucht nach Argentinien.

Dagegen wurde Herz Pins’ in Stadtlohn mit dem aus Epe stammenden Viehhändler Daniel Lebenstein (* 1882) verheiratete Tochter Olga (* 1887) ein Opfer des Holocaust. Während die Söhne Ernst (1913–1981) und Walter (1915–2001) in den Jahren 1934 bzw. 1937 nach Palästina fliehen konnten, wurden die Eltern am 13.12.1941 mit ihrer jüngsten Tochter Herta (* 1924) nach Riga deportiert, wo sich die Spuren der Eltern verlieren, während Herta letztmalig noch im August 1944 als Insassin im Konzentrationslager Stutthof genannt wird.

Ihre ältere Schwester Erika (* 1918) absolvierte ab 1939 in Paderborn als Vorbereitung auf die Auswanderung nach Palästina ihre Hachschara und lernte dort den aus Posen stammenden Siegfried Abramowicz (* 1915) kennen. Nach der Auflösung des Hachschara-Lagers beiden gingen offenbar nach Berlin, wo sie im April 1940 heirateten und lebten, bis am 3.3.1943 nach Auschwitz deportiert wurden. Während Erika dort ermordet wurde, sind die Informationen über das Schicksal ihres Manns unsicher. Laut Gedenkbuch wurde er ebenfalls in Auschwitz ermordet. Möglicherweise gelangte er aber auch nach einem „Todesmarsch“ nach Westen am 26.1.1945 nach Buchenwald, kam dann am 3.3. zum Buchenwald-Kommando nach Escherhausen und dann am 27.4.1945 nach Dachau, wo er die Befreiung durch die US-Armee erlebte. Er soll später in Kanada gelebt haben.(1)

Friedrich Pins (1889–1945) war das jüngste Kind von Herz und Rica Pins. Zehn Monate nach seiner Geburt starb seine Mutter, und so wurde er von dem Wolbecker Viehhändler Elias Baumgarten und seiner Frau Antonie, geb. Blume aufgenommen, einer Schwester seiner Mutter. Wie sein Vater und sein Adoptivvater wurde er Viehhändler und übernahm das Geschäft des letzteren, allerdings mit geringem Erfolg. Sein Schicksal und das seiner Familie hat der Wolbecker Forscher Peter Schilling in seinem Buch über die Wolbecker Juden ausführlich dargestellt.(1)

1920 heiratete Friedrich („Fritz“) Pins die ebenfalls in Wolbeck geborene Selma Philipps (1895–1944). Die beiden hatten fünf Kinder, Hildegard (* 1921), Helmut (1922–1987), Werner (1933–1944), Anni (* 1932) und Ilse (* 1933), zusammen mit denen sie am 13.12.1941 nach Riga deportiert wurden. Die beiden jüngsten Kinder wurden in Riga ermordet, ihre Mutter Selma, die Tochter Hildegard und der Sohn Werner in Stutthof und der Vater Friedrich Pins kurz vor Ende des Kriegs am 24.3.1945 in Buchenwald, wohin er aus Stutthof deportiert wurde.

Nur der Sohn Helmut überlebte. Auch er wurde von Stutthof nach Buchenwald deportiert, dort in einem Außenlager zur Schwerstarbeit eingesetzt, bis er dann bei einem Weitertransport fliehen konnte. Nach dem Krieg kehrte er nach Wolbeck zurück, heiratete 1950 seine in Gelsenkirchen geborene Frau Hildegard Pinski (1926–2012), die spätere Künstlerin Judith Pins, mit der Jacob Pins z.B. 1988 in Hamm eine Ausstellung hatte. 1956 wanderten die beiden nach Australien aus, entschlossen sich aber 1967/68 im Zusammenhang des Sechstage-Krieges zur Emigration nach Israel, wo sie bis zu ihrem Tod lebten.

(1) Mehr zur Familie Lebenstein finden Sie hier
(2) Peter Schilling, Gudrun Beckmann-Kircher, Monika Simonsmeier (Hg.): Spuren der Erinnerung an jüdische Familien in Münster-Wolbeck. Münster, 2016
Fritz Ostkämper, 26.8.2017
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de