Jacob Pins Leben und Werk

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Jacob Pins – Farben und Licht

Jacob Pins. Selbstportrait. 1994. Öl auf Hartfaser

Zu den Bildern von Jacob Pins

Wie an dem Lebenswerk von Jacob Pins abzulesen ist, wird in seiner künstlerischen Entwicklung der Einfluss zeitgenössischer Strömungen vom Ende des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert spürbar verarbeitet.

Die klassischen Gesetze der Form- und Farbgebung weitgehend respektierend, waren die Künstler der nachimpressionistischen Epoche in Frankreich und Deutschland von dem Willen besessen, auf der Suche nach neuen Wegen etwas Festes und Dauerhaftes zu schaffen.

Allein oder in Gruppierungen suchten alle nach Möglichkeiten bildnerischer Auseinandersetzung mit den Themen der Wirklichkeit, denen sie begegneten. Die bildnerischen Instrumentarien entwickelten sich weiter mit jeder neuen Einstellung zur Wirklichkeit und dem eigenen persönlichen Ausdrucksverlangen.

Einzelpersönlichkeiten wie Cézanne, van Gogh, Gauguin, Picasso, Matisse u.a. wiesen ganzen Künstlergruppen – vor allem im 20. Jh. bis heute – den Weg zur Erneuerung und Fortschritt, weit weg vom nacherzählenden Abbild der Wirklichkeit, von festgefahrenen Vorstellungen zu vielgesichtigen Möglichkeiten in der bildenden Kunst.

Cézanne z.B. forscht in der Natur nach festen Strukturen, ordnet die Naturformen linear und farbig, baut sie aus Flächen auf. Dieses Bauen künstlerischer Harmonie parallel zur Natur, gemäß Kugel-, Kegel-, Zylinderform weist den Weg in den Kubismus. Gauguin löst sich noch energischer von der abbildhaften Naturdarstellung und wendet sich an das Elementare in ihr und schafft daraus seine formal farbigen Vereinfachungen: Mensch und Ursprünglichkeit der Natur teppichhaft verwoben, durch arabeskenhafte Linien hart abgegrenzte Flächen in lebhafter schattenloser Farbigkeit, die auch Symbolkraft ausstrahlt.
Während die Kubisten an Cézanne anknüpften, um die Reduktion des Raumes in die Fläche mit Hilfe der geometrischen Figur, strengen Linien und abgestufter Farbigkeit zu bewirken, lösten die Vertreter des Fauvismus um Matisse dieses Problem mit Farbe, die Nachfolge Gauguin antretend.

Bei Gauguin besaß die Farbe neben dem durchaus Dekorativen auch Symbolwert. Den Malern um Matisse dagegen ging es in ihren Bildern um den „Selbstwert der Farbe“, unabhängig vom Vorbild. Eine Kunst voll Gleichgewicht, Reinheit und Ruhe schwebte ihnen vor, eine ganz im Malerischen begründete Harmonie, ohne gedanklichen Ballast. Form und Farbe fügen sich allein dem Ordnungswillen des Künstlers, nicht der vorgegebenen Wirklichkeit.

1911 wird der Begriff des Expressionismus geprägt, als dessen unmittelbarer Vorläufer die Kunst von van Gogh anzusehen ist, gezeichnet von aggressiver Farbwirkung und fast ekstatischer Malweise. Der Expressionismus zielte auf das Emotionale, bestrebt, den inneren Ausdruck zu erfassen, gleich ob bei Landschaften, Alltäglichkeiten oder Personen. Vermassung, Vereinsamung, soziale Anklage, Unsicherheit und Angst vor allem in den Nachkriegsjahren finden in dieser Zeit Niederschlag in verschiedenen Bildgleichnissen, vor allem in der deutschen Gruppe „Die Brücke“ in Dresden. Intensive Farbgebung, übersteigerte Ausdruckskraft und Deformierung waren die Grundlagen des Gestaltungswillens expressiver Künstler, noch weitgehend dem Gegenständlichen verhaftet. Die gegenstandslose Malerei war die notwendige und folgerichtige Entwicklung durch die Abstraktionsbemühungen der Künstler, Wesentliches auszusagen. Der Holzschnitt bekam in dieser Zeit wieder große Bedeutung (Brücke / Blauer Reiter).
Vor diesem Hintergrund sollen die ausgewählten Ölgemälde, Aquarell- und Kohle-/Farbkreide-Arbeiten betrachtet werden.

Die Farbe spielt in allen Werken des Künstlers Jacob Pins eine große Rolle, auch in Verbindung mit seinen ausdrucksstarken Holzschnitten. Am reinsten aber leuchtet sie in seinen Öl- und Aquarellbildern.

Seine Kenntnis und Verarbeitung der Entwicklungsphasen in der europäischen Kunst des 19. und 20. Jh. bringen Jacob Pins in seinem kreativen Wirken zu eigenständigem Form- und Farbverhalten. Das expressive Ausdrucksverlangen, das kubische Ordnungssystem, das fauvistische Farbpathos, die Kraft reiner Farben u.a.m. stellt er in den Dienst seiner eigenen Bildabsichten. Der Landschaft fällt in seinem Gesamtwerk eine außerordentliche Bedeutung zu. Ihre vielfältigen Erscheinungsformen führen ihn in schöpferischem Sinne zu vielen neuen Entscheidungen in der Darstellungsweise. Die Kraft seiner vereinfachten klaren Form- und Farbgebung lässt auch immer die Kraft der Natur spüren. Losgelöst vom Abbild steigert sie sich in Intensität und Leuchtstärke durch das Erlebnis des Künstlers.

Landschaft in Rot. 1981. Öl auf Hartfaser. 72x92
Landschaft in Rot. 1981. Öl auf Hartfaser. 72x92

Das Bild „Landschaft in Rot“ z.B. wird geformt von neben- und übereinander gelagerten Rottönen, von einer großen weiten Fläche aus in kleinere übergehend. Im reinen Rot der Vordergrundfläche leuchtet die Farbe auf, wird am oberen Bildrand aufgehalten durch eine dunkel eingeflochtene Häuser- und Baumkulisse. Eingestreut finden sich hier kubisch, mosaikhaft kleine Farbvierecke in Rotorange, Weiß und Hellblau. Der obere Teil der Bildfläche löst sich in helles Orange auf. Vorn am Bildrand setzt eine zarte Strukturandeutung der Fläche eine Grenze, so wie auch der senkrecht eingesetzte Baumstamm, rechts im Bild, der von ähnlicher Struktur ist wie die Naturobjekte im Rot überwiegenden Gesamtbild.

Rote Nacht mit Mond. 1994. Öl auf Hartfaser. 38x30
Rote Nacht mit Mond. 1994. Öl auf Hartfaser. 38x30

Die Komposition einer Landschaft im glühenden Rot lässt den Betrachter Sonnenlicht und Wärme empfinden, ohne dass die Lichtquelle erkennbar ist. „Rote Nacht mit Mond“ist noch abstrakter gestaltet. In der Farbwahl ähnlich intensiv teilt sich die Bildfläche in eine große rote und eine orangefarbige auf. Kontrastierend zu diesem gleichmäßig farbigen, fast strukturlosen Flächen sind als belebendes Element duftig aufgetragene dunklere Busch- und Häuserformen eingesetzt. Auffallend, in scharfer Vereinfachung der Form als auch der weißgelben Farbe, befindet sich im linken Bildteil ein kreisrunder Mond mit langem rechteckigen, das Bild senkrecht durchziehenden Lichtstrahl, der sich wie eine Spiegelung ausnimmt. Nach unten löst sich dieses Gefüge auf, Gelb durchfließt waagerecht, ganz wenig angedeutet, den unteren vorderen Bildteil mit zarten Pinselstrichen. Ein lichtes Bild, ein farbiges Leuchten durch das beherrschende Symbol des Mondscheins ist entstanden.

Häuser und roter Himmel. 1990. Öl auf Hartfaser. 61x81
Häuser und roter Himmel. 1990. Öl auf Hartfaser. 61x81

Waren die vorhergehenden Bildbeispiele geprägt von großer Harmonie durch die Anordnung der Farbflächen, deren gleichmäßigem Farbauftrag und der Abstraktion auf das Wesentliche des Themas, so zeigt sich in „Häuser und roter Himmel“ ein Nebeneinander kontrastierender, kleiner Farbflächen in einer unruhigeren Pinselführung. Hier stehen die früher eher angedeuteten Naturobjekte im Vordergrund. Der beherrschenden klaren, ruhigen Fläche des roten Hintergrundes ist eine eher massige, etwas schief zusammengewürfelte Häusergruppe gegenübergesetzt. Sie ist von vielen Mischtönen in Blau in freier Farbgebung gestaltet. Davor zieht sich eine fleckige Farbbewegung von links in rosa, lila, bläuliche Farbstufungen bis zum sattgrünen Busch des rechten Bildrandes hin. Der Farbauftrag ist rauh, unruhig, pastos, das Marode der Häuser betonend. Dunkle Umrisse festigen die einzelnen Farbkuben. Manchmal leuchtet das Rot des Hintergrundes, das alles überstrahlt, belebend und wärmend an den Wänden der Häusergruppen auf.

Dächer II. 1979. Öl auf Hartfaser. 92x72
Dächer II. 1979. Öl auf Hartfaser. 92x72

Eine andere Bildauffassung von Jacob Pins äußert sich in dem Werk „Dächer II“, das an die Flächenkonstruktionen der Kubisten erinnert. Hier baut der Künstler ein dichtes Gewebe leuchtender Farben auf, in das sich die Dächer, aber auch Hauswände und Straßen einfügen. Ein Farbmosaik aus Rotstufungen und der Komplementärfarbe Grün bis zu Blau und Schwarz unterstreicht die kubischen flächen- und körperhaften Elemente. Kräftige Unterstützung bekommt das Ganze durch ein Gerüst horizontaler und vertikaler Konturen in Schwarz und Weiß. Der Einsatz des Naturvorbildes unter einem eigenen Blickwinkel führt Jacob Pins unter oben genannten Gesichtspunkten zu einer vielfarbenen und vielgestaltigen Szenerie. Trotz aller Realitätsbezogenheit entsteht ein reines Vorstellungsbild, das die Form- und Farbfelder zu einem harmonischen Ensemble koordiniert.

Landschaft. 1992. Öl auf Hartfaser. 92x72
Landschaft. 1992. Öl auf Hartfaser. 92x72

Von sehr malerischer Wirkung sind die Bilder „Landschaft“ und „Frau in der Landschaft“. In dem Landschaftsbild ergänzen sich die Farben Gelb, Blau und Grün, malerisch aufgelöst zu höchst sensiblen Strukturen. Der weiten, lebendigen und heiteren Flächenplanung des Mittelgrundes, geführt von lockerem Farbauftrag, steht am Horizont eine Komposition aus Häusern und Berghängen gegenüber, die waagerecht und dunkel das Bild abschließt. Leuchtende Farbmosaike in Rosarot verschmelzen mit dem Dunkellila der Bergkulisse, über der sich ein hellrosa Himmel andeutet. Großflächige Farbstrukturen am unteren Bildrand wiederholen oder spiegeln die Farben des oberen Bildteils. Sie rahmen das Licht ein, das sich im Gelb der Bildmitte konzentriert.

Frau in einer Landschaft. 1993. Öl auf Leinwand. 130x97
Frau in einer Landschaft. 1993. Öl auf Leinwand. 130x97

Die Erinnerung an Gauguins Südseeeindrücke, an die Ursprünglichkeit der Natur wird auch und besonders im zweiten Bildbeispiel deutlich „Frau in einer Landschaft“. Es erscheint noch sonniger, leuchtender durch das beherrschende Gelb, das sowohl im Vorder- als auch im Hintergrund auftaucht und sich ins Orange steigert. Der Körper der Frau, mit einem weißen Tuch drapiert, steht in engem formal farblichen Zusammenhang mit der Umgebung. Sie ist sozusagen die Ergänzung zu dieser lichterglänzenden Natur. Die lebendige Pinselstruktur, weich in den Farbübergängen und die arabeskenhaften Umrisslinien der rot blühenden, in vielen Grüntönen gemalten Sträucher unterstreichen die ursprüngliche exotische Stimmung.

Portrait in Blau. 1979. Öl auf Hartfaser. 92x73
Portrait in Blau. 1979. Öl auf Hartfaser. 92x73

Ein Stimmungsbild mit ganz besonderer Ausstrahlung stellt das Frauenbild „Portrait in Blau“ in der Reihe der Ölbilder von Jacob Pins dar. Es zeigt einen fein abgestimmten Farbzusammenklang in blau bis violetten Tönen, der Frauengestalt und Bildgrund verbindet. Sehr flächig sind die Details des Bildes, nur durch dunkle Striche voneinander getrennt. Harmonie zu Gunsten des Bildaufbaus, der Farbwahl und der Stimmung breitet sich aus. In vielen Bildern, in denen Jacob Pins Menschen darstellt, sind die Gesichter nicht detailliert gestaltet. Die Aufhellung des Blautones hier und das gewählte Weiß dazu betont dennoch die „geistige“ Mitte des Themas, das Nachdenkliche in dieser Person. Auch wenn die Farbharmonie im Vordergrund steht, gewinnt die Person an Bedeutung.

Wald I. 1994. Öl auf Hartfaser. 92x72
Wald I. 1994. Öl auf Hartfaser. 92x72

In „Wald I“ von Jacob Pins fällt das Licht durch Baumstämme, die senkrecht angeordnet, wie Säulen das Bild beherrschen. Wieder ist es die strahlende rote Farbe, die dem größten Teil des „Waldes“ als Boden dient, nur gedämpft bzw. zurückgedrängt durch die rot-violett-schwarz strukturierten Baumrinden. Der Künstler konstruiert hier nach der Natur, indem er sie linear und farbig ordnet und steigert. Neben den reinen Tönen in Rot, Gelb und Grün steht die Farbmischung in den Baumstämmen und dem Gebüsch im linken Bildhintergrund diesen gegenüber. Die Aufhellungen in roten und gelben, leicht angedeuteten Strichen quer durch den Wald, holt das Licht des Hintergrundes hinein. Je nach der künstlerischen Zielsetzung, wählt der Künstler verschiedene Mittel aus. Auch Kohle, Kreide, Farbstifte und Rötel werden in die Gestaltung einbezogen.

Landschaft mit Sonne. 1963. Aquarell. 74x56
Landschaft mit Sonne. 1963. Aquarell. 74x56

Die Technik des Aquarells, rein oder in Verbindung mit Buntstiften oder Federzeichnung wird von ihm in vielgestaltiger Weise verwendet. Das Aquarell „Landschaft mit Sonne“ zeichnet sich durch eine extrem gesteigerte Farbigkeit aus. Dieses farbig glühende Bild gelang dem Künstler durch die Arbeitsweise des „Nass in Nass-Malens“, aus teilweise lasierenden, teilweise übereinander gemalten Tönen. Der spontane, wolkige Farbauftrag, fließende Übergänge und Aussparungen, die den Papiergrund weiß durchschimmern lassen, um die Sonne und in der Landschaft, zeigen die Spanne der technischen Möglichkeiten. Dunkle, warme, rote und blaue Himmelsfarben steigern sich gegenüber den lichten, gelbweißen – Sonne, Landschaft – bis zu orange und grünen Farbwerten.

Landschaft. 1985. Aquarell. Studie zum Gemälde. 32x87
Landschaft. 1985. Aquarell. Studie zum Gemälde. 32x87

Das zweite Aquarell „Landschaft“ (Dünen) stellt ein Landschaftsmotiv in waagerechter Bildarchitektur und hell aufleuchtenden Gelbdifferenzierungen dar. Warmes Rot ist in den Vordergrund eingemischt, um schließlich konzentriert unten am Bildrand aufzutauchen. Die Leuchtkraft wird von den gewählten Komplementärfarben = Gegenfarben bestimmt. Das Rot wird rein und leicht eingemischt dem reinen, leicht gemischten Grünblau gegenüber gestellt, die Gelbtöne dem starken Blau, das in zwei Stufen den oberen Bildrand abschließt. Die Ruhe, die dieses Landschaftserlebnis ausstrahlt, steht im Gegensatz zu dem vorangegangenen mit einer eher dynamischen Farbwirkung und Bewegung.

Morgen im November. 1988. Kohle-/Farbkreide. 48x45
Morgen im November. 1988. Kohle-/Farbkreide. 48x45

„Morgen im November“ und „Häuser“ sind zwei Bildbeispiele die Jacob Pins in Kohle, Kreide und Rötel gestaltete. „Morgen im November“ zeichnet sich durch verschiedene Grauschattierungen aus, hervorgerufen durch den unterschiedlichen Einsatz von Kohle, die mal weicher mal härter angewandt wird und schließlich zu massigen Strukturen führt, die den Aufbau des Bildes bestimmen, z.B. in den Baumreihen in differenzierter Strichtechnik. Die Baumverästelung links im Bild, Berge, Bodenstrukturen und leichte Konturen vervollständigen die klare Konstruktion des Bildes. Etwas verwischtes Weiß im Himmel bringt Weite, aber auch Helligkeit in die sonst gedämpfte Stimmung dieser Landschaft. Die Kombination der im Vordergrund eingesetzten Rotflächen mit den Grauschattierungen bedeutet eine weitere Belebung und Aufhellung des Gesamten.

Häuser. 1989. Kohle-/Farbkreide. 48x62
Häuser. 1989. Kohle-/Farbkreide. 48x62

Kontrastreicher wirkt das zweite Thema in dieser Technik „Häuser“. Stark vom Umriss geprägte Dächer und Hausteile, im Vordergrund pyramidenhaft aufgetürmt, bestimmen das Bild. Die unterschiedlich starke Anwendung von Flächenstrukturen, mit weißer Kreide grau gestuft und überhöht, betonen das Kubische der gebauten Objekte. Lebhaft und der Natur näher ist der lockere Kreidestrich, der die Merkmale gewachsener Natur nachahmt, in der Baumkrone rechts unten im Bild. Ein fast strahlend, hell wirkender Himmelshintergrund in gleichmäßigem, durchsichtigen Weiß bis Dunkelblau nimmt dem Thema die Schwere. Dem gegenüber stehen einzelne blutrote Dächer, die das Grau der Häusergruppe aufwerten.

Waltraud Otto, anlässlich der Ausstellung »Jacob Pins – Licht und Farbe« im April/Mai 2005 in der Volksbank Höxter