Jüdische Bürger in Höxter

Jüdische Schüler des KWG – Opfer des Holocaust

Das König-Wilhelm-Gymnasium in Höxter (KWG) wurde in der Zeit seit seiner Gründung 1867 von 163 jüdischen Schülern besucht. Mindestens 32 von ihnen, also mehr als 19% wurden in den Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslagern des Dritten Reiches ermordet. Die folgenden Kurzbiografien zeichnen ihr Leben und Schicksal nach.

Karteikarte für Albert Bachmann in Stutthof
Karteikarte für Albert Bachmann in Stutthof

Bachmann, Albert (KWG Nr. 2113), geb. 7.11.1899 in Fürstenau, Sohn des dortigen Handelsmanns Moses Moritz Bachmann und dessen erster Frau Sara Dillenberg aus Ovenhausen.
Nach dem Besuch der Volkschule in Fürstenau 1911-1915 Schüler des KWG (VI-IV). Eintritt in den Viehhandel des Vaters, den er zusammen mit seinem Bruder Hermann weiterführte. Dazu Betrieb einer kleinen Landwirtschaft und Verkauf von Schnaps. 1932 Heirat mit der aus Fritzlar stammenden Sidonie Mansbach (* 1899), keine Kinder. 1938 Verlust des Gewerbescheins. Nach der Pogromnacht 1938 bis zum 19.12.1938 Inhaftierung in Buchenwald. Am 13.12.1941 Deportation der Familie nach Riga. Der Bruder Hermann wurde im Sept. 1943 in Auschwitz ermordet. Albert und seine Frau Sidonie wurden im August 1944 nach Stutthof deportiert. Albert wurde zum 12.12.1944 in Königsberg für tot erklärt, seine Frau Sidonie im April 1945 in Stutthof.
Die Fürstenauer Viehhändlerfamilie Bachmann

Rudolf Bachrach in den 1930er Jahren
Rudolf Bachrach in den 1930er Jahren
Rudolf Bachrach 1888 als Sextaner
Rudolf Bachrach 1888 als Sextaner

Bachrach, Rudolf (KWG Nr. 963), geb. 5.3.1877 in Schwalenberg, Sohn des dortigen Kauf- und Handelsmanns Samson Bachrach und der ebenfalls dort geborenen Bella gen. Bertha Michaelis.
Nach der Kantorschule in Schwalenberg 1888-1895 Schüler des KWG (VI-OII). Abgang mit dem Einjährig-Frewilligen-Zeugnis, um Elektrotechniker zu werden. Studium der Elektrotechnik. 1909 in Breslau Heirat mit Alice Glaser (* 1885 in Neumarkt, Schlesien). Danach in Berlin. 1912 Geburt des Sohns Karl. Ab 1913 Diplomingenieur und stellvertr. Vorstandsmitglied der Sachsenwerk-Licht- und Kraft-Aktien-Ges. in Berlin (Herstellung von Elektromotoren u.a.). Nach der Pogromnacht 1938 Verlust des Arbeitsplatzes. Inhaftierung im Sammellager Gerlachstraße. Am 3.10.1942 Deportation des Ehepaars nach Theresienstadt, wo Rudolf Bachrach am 22.11.1942 starb. Seine Frau Alice wurde am 16.5.1944 zur Ermordung nach Auschwitz verbracht. – Der Sohn Karl floh ins Exil und lebte in Kanada.

Bierhoff, Herbert (KWG Nr. 2362), geb. 19.6.1903 in Borgentreich, Sohn des Kaufmanns Victor Bierhoff und der Regina Sostheim, beide aus Borgentreich.
Nach Privatunterricht 1915-1920 Schüler des KWG (V-UII). Abgang mit der Mittleren Reife in einen „praktischen Beruf“, vermutlich Kaufmann (Erwähnung in Borgentreich noch 1929). Heirat mit Toni Kaufmann (* 1907) aus Rotenburg a. d. Fulda, mit der er in ihrem Geburtsort Rotenberg lebte. Um 1938 Trennung des Ehepaars, Umzug nach Kassel. Beziehung mit Ruth Nathan (* 1915 in Essen) und ihrer 1937 geborenen unehelichen Tochter Ellen (vielleicht eine Tochter Herberts?). 1939 Heirat mit Ruth und Adoption Ellens. Die Familie blieb in Kassel. Nach mehrfachen Wohnungswechseln am 9.12.1941 Deportation der Familie nach Riga. Als Angehöriger der Ghettopolizei konnte Herbert Frau und Tochter bis lange beschützen. Vor einer bevorstehenden Selektion vergiftete er die kleine Ellen am 22.4.1944, um sie vor Grausamerem zu bewahren. Er wurde am folgenden Tag erschossen. Seine Frau Ruth kam im Mai 1945 in Stutthof um. — Die erste Frau Toni Bierhoff wurde am 7.9.1942.von Kassel nach Theresienstadt deportiert und von dort am 29.1.1943 zur Ermordung nach Auschwitz verbracht.
Mord aus Barmherzigkeite
Gedenkbuch für das Heim des Jüdischen Frauenbundes in Neu-Isenburg
Frankfurter Kinderhaus der Weiblichen Fürsorge
Murder Most Merciful: Essays on the Ethical Conundrum Occasioned by Sigi Ziering’s „The Judgement of Herbert Bierhoff“. 2005 [Theaterstück]

Bierhoff, Jakob (KWG Nr. 448), geb. 21.8.1868 in Borgentreich, Sohn des Kaufmanns Herz Bierhoff, Borgentreich, und der Jeanette (Schönchen) Dillenberg aus Ovenhausen.
Nach der Jüdische Schule in Höxter 1879-1886 Schüler des KWG (VI-UII). Abgang als Einjährig-Freiwilliger, um Kaufmann zu werden. Ab 1898 als Kaufmann, später Bücherrevisor, in Hannover, zunächst unter wechselnden Adressen, spätestens ab 1914 in der Drostestr. 5AI. Verheiratet mit der aus Erder (Kalletal) stammenden Friederieke (Rieke) Silberberg (* 1869). Die Ehe blieb anscheinend kinderlos. Am 15.12.1941 Deportation des Ehepaars nach Riga, dort verschollen.
Die Familie Bierhoff, Borgentreich

Blumenthal, Carl (KWG Nr. 390), geb. 19.5.1865 in Steinheim, Sohn des Steinheimer jüdischen Lehrers und Cantors Wolf Blumenthal und der Emmy Norden aus Emden.
Nach Besuch der Jüdischen Schule in Steinheim und der dortigen Rektorschule 1878 für wenige Wochen Schüler des KWG (O III). Übergang zur Realschule nach Seesen (Jacobsonschule). Informationen über die folgenden Jahre fehlen. Mindestens seit 1911 in Berlin und dort bis zur Arisierung 1938/39 Alleininhaber der Firma Behrens & Baumann Nachf., Hausvogteiplatz 6/7 (Fabrikation von Damenmänteln). Am 18.10.1941 Deportation von Berlin nach Litzmannstadt/Lodz und dort am 24.4.1942 ermordet.

Kriegszeitkarteikarte für Siegfried Cohen in den Niederlanden
Kriegszeitkarteikarte für Siegfried Cohen in den Niederlanden

Cohen, Siegfried (KWG Nr. 2727), * 25.7.1906 in Beverungen, Sohn des aus Lamstedt stammenden Kaufmanns Martin Magni Cohen und der in Beverungen geborenen Rosa Himmelstern.
Besuch der Volksschule und der Rektoratsschule Brakel. 1921 Gründungsmitglied des Fußballvereins VfB 20 Beverungen. 1922-1923 Schüler des KWG (UII). Abgang mit der Mittleren Reife in einen praktischen Beruf, vermutlich in das Geschäft des Vaters. In den Jahren ab 1935 nach und nach Flucht der Familie ins niederländische Exil. Siegfried emigrierte am 29.10.1935 nach Rotterdam und wohnte 1941 in Utrecht. Nach Internierung im niederländischen Durchgangslager Westerbork am 11.2.1942 am 15.7.1942 nach Auschwitz deportiert. Dort zum 4.9.1942 für tot erklärt.

Julius Dillenberg 1891 in Sexta
Julius Dillenberg 1891 in Sexta

Dillenberg, Julius (KWG Nr. 1085), * 12.11.1881 in Höxter, Sohn des Höxteraner Viehhändlers Joseph Dillenberg und der aus Fürstenau gebürtigen Johanne Bachmann.
Nach der Jüdischen Schule in Höxter 1891-1895 Schüler des KWG (VI-UIII). Eintritt in den Viehhandel seines Vaters, den er nach dessen Tod 1916 übernahm. 1933 Heirat mit Hertha Weinberg (* 1902 in Herne) und Umzug nach Lütmarsen. 31.7.1937 Flucht nach Amsterdam zum Verwandten Karl Weinberg. Am 9.2.1943 Inhaftierung des Ehepaars im Sammellager Westerbork und am 21.4.1943 Deportation nach Theresienstadt. Von dort wurde Julius Dillenberg am 19.10.1944 nach Auschwitz transportiert und zum 21.10.1944 für tot erklärt. Seine gut 20 Jahre jüngere Frau Hertha entging der Vernichtung, kehrte in die Niederlande zurück und heiratete wieder.
Die Viehhändler Dillenberg – Ovenhausen, Höxter und Fürstenau

„Geldkarte“ von Max Dillenberg im KZ Buchenwald, 1938
„Geldkarte“ von Max Dillenberg im KZ Buchenwald, 1938

Dillenberg, Max (KWG Nr. 1592), geb. 14.6.1890 in Ovenhausen, Sohn des Viehhändlers Meyer Dillenberg, Ovenhausen, Hauptstr. 28, und der in Borgentreich geborenen Johanna Bierhoff.
Nach der Volksschule in Ovenhausen 1901-1910 bis zum Einjährig-Freiwilligen Schüler des KWG (VI-UII). Eintritt in den Viehhandel des Vaters, den er nach dessen Tod zusammen mit seinen Brüdern Abraham und Hermann weiterführte. Im Ersten Weltkrieg verwundet, Bruder Abraham fiel. Nach Wegzug des Bruders Hermann erfolgreiche Fortsetzung des Viehhandels mit Kontakten bis nach Dortmund. Half bei Problemen mit Geld aus, stellt Pferde für Schützenfest zur Verfügung, regelmäßige Teilnahme am dörflichen Leben. Ende September 1935 Zerschlagung von Fensterscheiben. Nach der Pogromnacht 1938 bis zum 23.12. im KZ Buchenwald inhaftiert. Am 31.3.1942 zusammen mit seiner Schwester Karoline nach Warschau deportiert, 1943 nach Auschwitz. Zum 8.5.1945 für tot erklärt.
Die Viehhändler Dillenberg – Ovenhausen, Höxter und Fürstenau

Richard Dillenberg 1901 in der Sexta
Richard Dillenberg 1901 in der Sexta

Dillenberg, Richard (KWG Nr. 1591), geb. 30.3.1892 in Höxter, Sohn des Höxteraner Viehhändlers Nathan Dillenberg, Stummrigestr. 47, und der in Reher (Aerzen, Krs Hameln) geborenen Selma Heinemann.
Nach der Bürgerschule in Höxter 1901-1906 Schüler des KWG (VI-UIII). Eintritt als „Handlungsgehilfe“ in den Viehhandlung seines Vaters. Nach dessen Tod (1925) Weiterführung des Viehhandel bis ins Dritte Reich. Unverheiratet. Nach 1933 wegen zunehmender Erschwerungen Anheuerungen von Kindern und Jugendlichen für den Viehtrieb, dazu Anstellung jüdischer Eleven. Mehrfache Beschmierung des Hauses mit rassistischen Parolen, Einwerfen der Fenster. In der Pogromnacht 1938 mit Prügeln aus dem Haus geholt und bis zum 8.12.1938 im KZ Buchenwald inhaftiert. Am 13.12.1941 Deportation mit den Geschwistern nach Riga. Verschollen.
Die Viehhändler Dillenberg – Ovenhausen, Höxter und Fürstenau

Emanuel, Willy (KWG Nr. 1429), geb. 20.12.1888 in Höxter, Sohn des aus Detmold stammenden Marcus Emanuel, Lehrer an den Baugewerkschulen in Höxter und Holzminden, und der Bertha Herzstein aus Bodenfelde.
Nach dem Besuch der Jüdischen Schule in Höxter 1889-1891 Schüler des KWG (VI-UIII). Abgang auf die Jacobson-Schule in Seesen. Später Kaufmann in Köln, verheiratet mit der in Kirchberg geborenen Rebekka Hirsch (* 1890). Im Dritten Reich für unbekannte Zeit Inhaftierung im Zwangsarbeitslager Bardenberg. Am 20.7.1942 Deportation des Ehepaars in das Ghetto Minsk. Beide in Maly Trostinec ermordet.
Zwei Familien Emanuel in Höxter

Die Stolpersteine für Hugo und Auguste Eppstein in Bad Homburg v. d. Höhe
Die Stolpersteine für Hugo und Auguste Eppstein in Bad Homburg v. d. Höhe

Eppstein, Hugo (KWG Nr. 239), geb. 20.6.1864 in Höxter, Sohn der unverheiratet in Höxter lebenden Rosa Eppstein, Stummrigestr. 25.
Nach dem Besuch der Vorschule am KWG 1874-1878 Schüler des Gymnasiums (V-IV). Abgang in den Kaufmannsberuf. Später Heirat mit Auguste Löwenthal (* 1868) aus Bad Homburg v. d. Höhe, keine Kinder. 1907 Kauf eines Hauses in der Kaiser-Friedrich-Promenade in Homburg. Am 28.8.1942 Transport des Ehepaars nach Frankfurt in die Großmarkthalle im Ostend, am 1.9.1942 Deportation nach Theresienstadt. Dort Tod Hugo Eppsteins am 11.9.1942 auf dem Dachboden. Seine Frau wurde am 29.9.1942 in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet.
Die Familie Eppstein und die Familie Rosenthal in Höxter

Max Eppstein 1891 als Quartaner
Max Eppstein 1891 als Quartaner

Eppstein, Max (KWG Nr. 961), geb. 24.4.1879 in Höxter, Sohn des Höxteraner Landhändlers Abraham Eppstein, Stummrigestr. 19, und der aus Manrode stammenden Doris Mathias.
Nach der jüdischen Schule Höxter 1888-1895 Schüler des KWG (VI-OIII). Abgang um Kaufmann zu werden. Wegen Ausbruchs einer psychischen Erkrankung in den späteren Jahrzehnten mit Unterbrechungen Patient in der Provinzialheilanstalt Marsberg in Warstein. Am 21.9.1940 mit anderen psychisch Kranken von Marsberg zunächst in die Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf verschleppt und dann am 27.9.1940 zur Ermordung im Rahmen der Aktion T4 in die Euthanasie-Tötungsanstalt Brandenberg verbracht und in der Gaskammer ermordet.
Die Familie Eppstein und die Familie Rosenthal in Höxter

Richard Fränkel 1891 in Obertertia
Richard Fränkel 1891 in Obertertia

Fränkel, Richard (KWG Nr. 795), geb. 22.6.1876 in Höxter, Sohn des Kaufmanns Naphtali Fränkel (Westerbachstr. 25, später Gartenstr. 4) und seiner aus Scharmbeck (Winsen) stammenden Frau Florentine Feist. Der Vater war lange Jahre Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Höxter.
Besuch der Vorschule am KWG (1883-1885) und danach (1885-1894) des Gymnasiums (VI-UII). Abgang als Einjährig-Freiwilliger, Absolvierung einer Bankiersausbildung in Berlin. In den folgenden Jahrzehnten in Charlottenburg als Kaufmann und Häusermakler tätig. Seine Ehe mit der Nicht-Jüdin Alice Samler blieb offenbar kinderlos. In den 1920er Jahren mehrfache Spenden und 1923 eine immer wieder erhöhte Stiftung von schließlich einer Milliarde (Inflations-)Mark für die Armen der Stadt, deren Kapital jedoch durch die Inflation weitgehend verfiel. Regelmäßige Besuche in Höxter. Im Dritten Reich Verlust der Selbständigkeit und Arbeit als Angestellter. Mehrere erzwungene Umzüge. Am 28.3.1942 mit seiner Schwester Grete verw. Weiler Deportation von Berlin in das Ghetto Piaski. Dort oder in Trawniki verschollen.
Die Familie Fränkel – jüdische Bildungsbürger aus Höxter

Dr. Richard Frankenberg um 1925
Dr. Richard Frankenberg um 1925
Richard Frankenberg 1903 in Oberprima
Richard Frankenberg 1903 in Oberprima

Frankenberg, Richard, Dr. (KWG Nr. 1184), geb. 8.10.1883 in Höxter, Sohn des aus Löwendorf stammenden Kaufmanns Gustav Frankenberg, Höxter, und dessen Frau Jenny Jacobs, verw. Rosenberg, aus Goch.
Nach Besuch der Jüdischen Schule in Höxter 1893-1904 Schüler des KWG (VI-OI). Abgang mit dem Abitur zum Medizinstudium in Göttingen, Freiburg und München Medizin. 1906/07 Militärdienst als Einjährig-Frewilliger in München. 1909/10 Examen und Promotion in Göttingen („Über hereditären Nystagmus“). Approbation und Niederlassung als Arzt in Höxter, Marktstraße 11. 1914 Heirat mit Änne Wichelhausen (geb. 1892 in Herstelle). Einzug in das gekaufte Haus Corveyer Allee 5. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs Mitbegründer der „Freiwilligen Sanitätskolonne von Roten Kreuz“ (bis zum Dritten Reich Kolonnenarzt). Als Sanitätsarzt (1914-1917) an der Front mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet, danach Ausbildung von Sanitätern. 1919-1923 Stadtverordneter, später als Mitglied zahlreicher Kommissionen sowie als „Armenarzt“ Einsatz vor allem für bedürftige Höxteraner. Mit seinem in Holland lebenden Bruder Louis regelmäßige Organisation holländischer Ferienaufenthalte für arme Kinder aus Höxter. 1933 Verlust aller Funktionen. Nach Entzug der Approbation ab 1938 nur noch „Krankenbehandler“ für jüdische Patienten. In der Pogromnacht 1938 Zerschlagung der Fenster, Zerstörung wertvolle Geräte in der Praxis. Inhaftierung in Buchenwald bis Anfang Dezember 1938. Auswanderungsversuche scheiterten. Vor der Deportation mit seiner Frau nach Riga am 13.12.1941 Schenkung eines Gemäldes des Malers Jochen Hoffmann-Fallersleben an seine Heimatstadt. In Riga Arbeit als Revierarzt im Krankenhaus, ebenso ab September 1943 nach der Verlegung in das Lager Strazdenhof. Am 29.7.1944 Erschießung des Ehepaars im Bikernieki-Wald erschossen. — 1973 wurde in Höxter 1973 eine Straße nach ihm benannt.
Dr. Richard Frankenberg – ein jüdischer Bürger Höxter
Kleine Geschichte der Familie Frankenberg

Ernst Goldschmidt 1913 in Obertertia
Ernst Goldschmidt 1913 in Obertertia

Goldschmidt, Ernst (KWG Nr. 2240), geb. 1.11.1898 in Beverungen, Sohn des Kaufmanns Karl Goldschmidt und der in Münden geborenen Mathilde Hammerschlag, die wie der Sohn Opfer des Holocaust wurde.
Nach Besuch einer Privatschule in Lauenförde 1913-1915 Schüler des KWG (OIII-UII). Abgang mit dem Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis in einen praktischen Beruf. Lebte später als Büroangestellter und/oder Kaufmann in Berlin. 1928 Heirat mit Hella Goldschmidt (* 1905) aus Offenbach, 1930 Geburt der Tochter Ruth. Im Dritten Reich Emigration der Familie nach Frankreich, dort 1939 in Paris verzeichnet, von wo Ernst anscheinend einen Fluchtweg nach Afrika suchte. Nach Internierung im französischen Lager Gurs am 4.9.1942 Deportation der Familie über das Sammellager Drancy zur Ermordung nach Auschwitz.

Grunsfeld, Karl (KWG Nr. 1241), geb. 8.4.1884 in Ellrich am Harz, Sohn des Ellricher Kaufmanns David Grunsfeld, Mutter nicht ermittelt.
Nach Besuch der Volksschule in Ellrich 1894-1896 Schüler des KWG (VI-V). Schulbesuch vermutlich in Höxter, weil eine Tante hier in die Familie Lebenbaum eingeheiratet hatte. Nach Abgang vom KWG 1896-1899 bis zur Untertertia Schüler des Gymnasiums Nordhausen. Da der Vater bereits verstorben war, Eintritt in das elterliche Geschäft, Jüdenstr. 7, im Dritten Reich Horst Wessel Straße 25. 1938 Umzug der Geschwister Karl, Minna (* 1886) und Selmar (* 1886) nach Hannover, wo ein Verwandter lebte. Mehrere Umzüge, zuletzt Judenhaus Ohestr. 8. Am 15.12.1941 gemeinsame Deportation der Geschwister nach Riga. Dort verschollen.

Karteikarte für Mathias Hochfeld in Theresienstadt
Karteikarte für Mathias Hochfeld in Theresienstadt

Hochfeld, Max Mathias (KWG Nr. 446), geb. 25.5.1869 in Höxter, Sohn des Höxteraner Auctions-Commissars Josef Hochfeld und der in Springe geborenen Minna Goldschmidt.
Nach dem Besuch der Vorschule am KWG (1875-1877) und der Jüdischen Schule Höxter 1879-1880 Schüler des KWG (VI). Wegen „unverbesserlicher Faulheit“ von der Schule genommen. Danach vermutlich kaufmännische Ausbildung. Heirat als Möbelfabrikant mit Rosa Meyer. 1900 Geburt der Tochter Erna in Höxter. Nach dem Tod der ersten Frau Umzug nach England und 1908 Heirat mit der evangelischen Engländerin Mary Day (1878-1921) und Geburt des Sohns Edgar in London. Betrieb einer Wäscheannahmestelle. Im Ersten Weltkrieg Internierung als enemy alien, 1916 Ausweisung und Arbeit als Geschäftsführer eines Zigarrengeschäfts in Hamburg. Frau und Sohn folgten ein Jahr später. 1919 Anmeldung eines Gewerbes als Kaufmann und Agent mit Zigaretten en gros. Danach bis 1930 Angestellter in der Möbelbranche. 1937 Entlassung aus ›rassischen Gründen‹. Unterstützung des Sohns Edgar, der eine Sprachschule gegründet, die Mathias nach dessen Flucht nach Dänemark 1939 weiterführte. Nach mehreren Umzügen Einweisung in ein Judenhaus. Am 15.7.1942 Deportation nach Theresienstadt. Dort am 30.8.1942 gestorben. — Der in Dänemark auf Veranlassung der deutschen Besatzung 1940-1945 internierte Sohn Edgar überlebte. Die Tochter Erna verh. Wolff aus erster Ehe wurde 1941 in das Ghetto Lodz deportiert und 1942 in Chelmno ermordet.
Stolpersteine in Hamburg: Mathias Max Hochfeld
Juden der ärmeren Schicht – die Familie Hochfeld

Milius Hochfeld (o.J.), © Privatbesitz
Milius Hochfeld (o.J.), © Privatbesitz
Milius Hochfeld 1888 in Sexta
Milius Hochfeld 1888 in Sexta

Hochfeld, Milius/Mijlius (KWG Nr. 964), geb. 2.7.1877 in Höxter, Sohn des Höxteraner Auctions-Commissars Josef Hochfeld und der in Springe geborenen Minna Goldschmidt.
Nach der Jüdischen Schule Höxter 1888-1895 Schüler des KWG (VI-V). Nach abgeschlossener Tischlerlehre ab 1902 in Hamburg. 1905 Gründung einer Möbelfabrik (bis zu 60 Arbeiter) und Heirat mit der Hamburger Tapezierertochter Mathilde Heinemann (1872-1942), drei Kinder (Else/Elsie, * 1905, Irma, * 1906, Erich, * 1914). 1914-1918 als Musketier im Ersten Weltkrieg. In der Wirtschaftskrise Niedergang der Fabrik und 1924/25 Aufgabe. 1925 Scheidung. 1926 Heirat mit der nichtjüdische Buchhalterin Erna Mathilde Stahl (* 1901), zwei Kinder (Marion, * 1927, Siegfried. * 1931). Gründung einer neuen Möbeltischlerei, die nach einem Jahr einging. Danach mit der Ehefrau Vertretung für andere Möbelfabriken. 1938 Übernahme der Kunden durch die Ehefrau, da Milius als Jude von Firmen und Kunden abgelehnt wurde. Mehrfache Umzüge in Hamburg. Nach der Zerstörung der Wohnung durch eine Bombe 1943 Evakuierung nach Weiden (Oberpfalz). 1944 Rückkehr Milius nach Hamburg. Am 2.6.1944 Verhaftung und Inhaftierung im KZ Neuengamme. Im April 1945 Verlegung in das Auffanglager Sandbostel. Am 29.4.1945 Befreiung durch englische Truppen. Am 21.5.1945 Verlegung ins Britische General-Hospital 86 in Rotenburg-Unterstedt. Dort am 26.5.1945 an den Haftfolgen gestorben. – Die drei Kinder aus der ersten Ehe flohen im Dritten Reich ins Exil. Die beiden ›halbjüdischen‹ Kinder aus der zweiten Ehe überlebten in Deutschland.
Stolpersteine in Hamburg: Milius Hochfeld
Juden der ärmeren Schicht – die Familie Hochfeld

Stolpersteine für Julius und Marta Ikenberg in Remscheid
Stolpersteine für Julius und Marta Ikenberg in Remscheid

Ikenberg, Julius Isaak (KWG Nr. 549), geb. 17.2.1868 in Nieheim, Sohn des Nieheimer Kaufmanns Salomon Bendix Ikenberg und der in Peckelsheim geborenen Marianne Weinberg.
Nach Privatunterricht 1881-1885 Schüler des KWG (V-OIII). Übergang zum humanistischen Gymnasium Marianum in Warburg, Abgang als Einjährig-Freiwilliger und Militärdienst. Ab 1896 Kaufmann in Remscheid, Martin-Luther-Str. 7, wo er zusammen mit Siegfried Eichmann ein wohlangesehenes Konfektionshaus führte. Um 1904 Heirat mit Marta Alsberg (* 1884) aus Wuppertal, Kinder Fritz (* 1905) und Günter (* 1913). 1936 erzwungener Verkauf des Geschäfts. Ende 1941 zwangsweiser Umzug in das „Judenhaus“ Villenstraße 18. Am 22.7.1942 Deportation des Ehepaars nach Theresienstadt und von dort am 26.9.1942 nach Treblinka. Zum 31.12.1945 füt tot erklärt. – Die Söhne emigrierten, Fritz mit seiner Frau Anna Bernstein im Jan. 1939 in die USA und, und Günter am 1.3.1939 nach Palästina, wo er den Namen Gershon Alon annahm.

Siegmund Katz 1891 in Quarta
Siegmund Katz 1891 in Quarta

Katz, Sigismund/Siegmund (KWG Nr. 998), geb. 28.8.1879 in Höxter, Sohn des aus Albaxen stammenden Höxteraner Landhändlers Levi Katz, Corveyer Allee 1, und der Rebecca Rose aus Brenkhausen.
Nach der Vorschule am KWG 1889-1896 Schüler des Gymnasiums (VI-OII), Abgang als Einjährig-Freiwilliger mit der Prima-Reife. Eintritt in den Landhandel, den er nach dem Tod des Vaters 1909 übernahm. 1911 Heirat mit Julie Archenhold (* 1886), 1912 Geburt der Tochter Irmgard. 1923 Aufgabe des Geschäfts und Umzug nach Hannover. Am 15.12.1941 Deportation des Ehepaars nach Riga, dort verschollen. – Die Tochter Irmgard durfte nach dem Abitur nicht Mathematik studieren und emigrierte nach der Pogromnacht mit ihrem Verlobten Herbert Horn in die USA (dort Nachkommen).
Die Familien Katz in Höxter und Umgebung

Erich Kleeberg um 1939
Erich Kleeberg um 1939
Erich Kleeberg 1913 in Sexta
Erich Kleeberg 1913 in Sexta

Kleeberg, Erich (KWG Nr. 2169), geb. 3.5.1902 in Boffzen, Sohn des Schlachters und Viehhändlers Hermann Kleeberg und der in Westheim (heute Marsberg) geborenen Frieda Weissenklee. Beide nach Riga deportiert und ermordet. Erichs Bruder Walter rettete sich nach England, die Schwestern Irmgard und Ruth in die USA.
Nach der Volksschule Boffzen 1912-1915 Schüler des KWG (VI-V). Wechsel zur Jacobsonschule in Seesen. Abgang vermutlich 1919/20 mit der Mittleren Reife. Statt seiner übernahm der Bruder Walter die Metzgerei, weil Erich beim Anblick von Blut regelmäßig in Ohnmacht fiel. Absolvierung einer Bankausbildung in Kassel. Ablehnung einer Heirat mit der Nichtjüdin Maria Beck durch die Eltern. Gemeinsamer Umzug nach Hannover und Eintritt in das jüdische Kaufhaus Lindemann. Dort später Abteilungsleiter für Teppiche, Dekorationsstoffe usw. Nach 10 Jahren 1931 Heirat mit Maria Beck, die zum Judentum übertrat. Nach der Geburt der Tochter Ruth (* 1933) Versöhnung mit den Eltern. Arbeitslosigkeit nach der Arisierung des Kaufhauses. 1936 Anstellung als Hausmeister bei einer jüdischen Wohnungsbau-Stiftung, dort Bezug einer Wohnung. Verweisung der Tochter aus der Schule, Umzug der Familie in ein Judenhaus. Wiederholte Aufforderung der Gestapo an Frau Maria zur Scheidung. Am 5.2.1945 Internierung Erichs in Neuengamme, dann Verlegung der Insassen in das KZ Bergen-Belsen. Erich Kleeberg starb am 10.4.1945 auf einem dieser „Todesmärsche“ im Evakuierungslager Sandbostel an Typhus. – Die Tochter Ruth lebt heute in Hannover.
Erich Kleeberg
Die Familien Kleeberg in Boffzen und Amelunxen

Josef Kleinstrass um 1935
Josef Kleinstrass um 1935

Kleinstraß, Josef, Dr. (KWG Nr. 1288), geb. 12.10.1884 in Bredenborn, Sohn des Bredenborner Kaufmanns Abraham Kleinstraß und der aus Fürstenau gebürtigen Helene Rosenstern.
Nach dem Besuch der Jüdischen Schule Höxter 1895-1897 Schüler des KWG (VI-V). Abgang auf ein Gymnasium in Paderborn. Nach dem Abitur Eintritt ins Medizinstudium (vermutlich zunächst in Würzburg). Studienabschluss und Promotion an der Universitätsfrauenklinik in Breslau („Ueber die künstliche Unterbrechung der Schwangerschaft wegen Tuberkulose“), Bis Ende 1913 in Berlin, danach Niederlassung als praktischer Arzt in Hamm. Im 1. Weltkrieg als Sanitätsarzt im Offiziersrang eingezogen, mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Januar 1919 Wiedereröffnung der Praxis in Hamm in einem Arbeiterviertel. Er blieb ledig. Ab 1933 allmählicher Rückgang der Praxis. Nach der Pogromnacht 1938 bis zum 16.12.1918 in Sachsenhausen interniert. 1940 erzwungene Aufgabe der Wohnung und 1941 Umzug in die Judenhäuser (Baracken) am Bahnhof. Vergebliche Auswanderungsbemühungen. Nach dem Tod des letzten anderen jüdischen Arztes ab Herbst 1940 offiziell „Krankenbehandler“ der Juden in Hamm und Umgebung. Im Herbst 1941 letzter Besuch seiner Familie in Bredenborn. Am 30.4.1942 Deportation in das Ghetto Zamosc. Unterwegs in Dortmund-Steinwache Wiederbegegnung mit seiner Schwester Minna Rosenbaum geb. Kleinstraß. Durch herausgeschmuggelte Briefe erhielt sein Bruder Hugo 1942 noch zweimal Nachricht von Josef Kleinstraß. Er wurde zum 8.5.1945 für tot erklärt.
Mechtild Brand: Geachtet – geächtet. Aus dem Leben Hammer Juden in diesem Jahrhundert. Hamm, 1991, S. 160-171
Dr. Joseph Kleinstraß: Bredenborn – Hamm – Zamosc
Ein jüdisches Außenseiterleben in Hamm zur NS-Zeit. Am Beispiel von Dr. Joseph Kleinstraß [Schülerarbeit]

Karl Kulemeyer
Karl Kulemeyer

Kulemeyer, Karl Julius (KWG Nr. 2281), geb. 11.3.1899 in Beverungen, Sohn des aus (Oesterholz-)Haustenbeck stammenden Handelsmanns Isaak gen. Louis Kulemeyer, Beverungen, und der in Beverungen geborenen Ida Löwenstein. Die Mutter wurde am 2.5.1943 in Theresienstadt ermordet.
Nach der Rektoratsschule in Brakel 1914-1915 Schüler des KWG (UII). Abgang mit dem Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis in einen praktischen Beruf (sicher Eintritt in das Handelsgeschäft seines Vaters). Er blieb offenbar ledig. In der Pogromnacht in Beverungen eingesperrt und nach Bielefeld transportiert, jedoch anscheinend aus unbekannten Gründen wieder entlassen. Am 31.3.1942 Deportation in das Warschauer Ghetto. Todesdatum und -ort unbekannt.

Ernst und Trude Löwenstein 1937 bei der Heirat
Ernst und Trude Löwenstein 1937 bei der Heirat

Löwenstein, Ernst (KWG Nr. 2228 und 2514), geb. 5.8.1900 in Höxter, Sohn des Kaufmanns Jacob Löwenstein und der aus Schlangen gebürtigen Minna Meyer, die in der Westerbachstr. 5 das erste Kaufhaus in Höxter betrieben. Die Mutter starb am 26.3.1943 in Theresienstadt.
Nach der Evangelischen Volksschule 1913-1918 Schüler des KWG (VI-UII). Abgang wegen Einberufung zum Heeresdienst. Als Artillerie-Wachtmeister mit dem EK I ausgezeichnet. 1919/1920 Sonderlehrgang für Kriegsteilnehmer am KWG, abgeschlossen mit dem Abitur. Handlungsgehilfe im elterlichen Geschäft, nach dem Tod des Vaters 1928 Geschäftsführer. Kulanter Arbeitgeber mit zuletzt 25 Angestellten. Soziale Einstellung: kostenloser Mittagstisches für bedürftige Kinder, Versorgung armer Wöchnerinnen, Schenkung der Aussteuer an Angestellte usw. 1933 „Schutzhaft“ wegen kleiner Spenden an die KPD, nach wenigen Tagen Entlassung wegen schlechten Gesundheitszustands und eidesstattlicher Erklärung fast sämtlicher Angestellter. 1937 Heirat mit Gertrud (Trude) Wallhausen (* 1910) aus Arholzen. 1938 Geburt des Sohns Sohn Berl-Eli. In der Pogromnacht 1938 Verwüstung der Räume. Bis zum 12.1.1939 Inhaftierung in Buchenwald. Arisierung des Geschäfts. Zwangsarbeit in einer Lederpappenfabrik in Godelheim, dann von Juli 1940 bis März 1942 bei der Holzwarenfirma Vogt & Dr. Bering in Beverungen. Zur Vorbereitung einer Auswanderung zeitweise Aufenthalte in Brandenburg, im Siegerland und in Höxter zur Erlernung der Landwirtschaft. Im Juli 1941 Umzug in das „Judenhaus“ der Witwe Kathi Rosenberg, Corveyer Allee 2. Am 31.3.1942 Deportation der Familie in das Warschauer Ghetto. Mit Frau und Sohn zum 31.12.1945 füt tot erklärt.
Die Löwensteins – eine jüdische Kaufmannsfamilie in Höxter

Heinrich Löwenstein um 1938
Heinrich Löwenstein um 1938
Heinrich Löwenstein 1901 als Sextaner
Heinrich Löwenstein 1901 als Sextaner

Löwenstein, Heinrich (KWG Nr. 1602), geb. 18.11.1891 in Höxter, Sohn des Kaufmanns Jacob Löwenstein und der aus Schlangen gebürtigen Minna Meyer, die in der Westerbachstr. 5 das erste Kaufhaus in Höxter betrieben. Die Mutter starb am 26.3.1943 in Theresienstadt.
Nach der Katholischen Bürgerschule KWG 1901-1910 Schüler des KWG (VI-UII). Abgang als Einjährig-Freiwilliger in eine Apothekerlehre. 1914 gescheitertes Abitur als Externer am Städtischen Gymnasium in Dortmund. Als Kriegsfreiwilliger des Ersten Weltkriegs zum Vizefeldwebel aufgestiegen und mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. 1916 Kriegsabitur am KWG. Nach Kriegsende Pharmazie-Studium, nicht abgeschlossen. 1928-1930 in Berlin, vermutlich zur kaufmännischen Ausbildung. Nach Rückkehr Übernahme der Leitung des Zweiggeschäfts in Beverungen. 1937 Heirat mit Else Baruch (* 1902 Bad Segeberg). In der Reichspogromnacht Verwüstung des Geschäfts, bis zum 12.12.1938 Inhaftierung in Buchenwald. Am Tag nach der Pogromnacht Geburt der Tochter Mathilde. Arisierung des Geschäfts und Verkauf des Hauses. Von Juli 1940 bis März 1942 Zwangsarbeit in der Holzwarenfabrik Vogt & Dr. Bering in Beverungen. Am 31.3.1942 Deportation der Familie ins Ghetto Warschau. Die Familie wurde zum 8.5.1945 füt tot erklärt.
Die Löwensteins – eine jüdische Kaufmannsfamilie in Höxter

Leo Markes in den 1930er Jahren
Leo Markes in den 1930er Jahren
Leo Markes 1901 in der Untertertia
Leo Markes 1901 in der Untertertia

Markes, Leo (Liefmann), Dr. (KWG Nr. 1542), geb. 2.4.1887 in Wanfried (Hessen), Sohn des aus Hattingen gebürtigen Dr. Isidor Markes, der mit seiner aus Wanfried gebürtigen Frau Gudelchen (Gita) Frankenfeld für einige Jahre als Zahnarzt nach Höxter zog.
Nach Privatunterricht 1900-1906 Schüler des KWG (V-UI). Abgang als Einjährig-Freiwilliger wegen Umzug der Familie nach Essen-Steele. Abitur (wohl in Essen). Zahnmedizinstudium unter anderem vermutlich in Kiel. Im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Anfang 1919 Einzug in das elterliche Haus in Hattingen, Bahnhofstr. 6, mit gemeinsamer Praxis von Vater und Sohn. Ihre Patienten waren offensichtlich vor allem Arbeiter; denn 1921 promovierte der Vater an der Universität Kiel über „Die Zahnverhältnisse bei Berg- und Hüttenarbeitern“, der Sohn Leo 1922 über „Mundkrankheiten bei Berg- und Hüttenarbeitern“. 1922 Einzug von Leos späterer Frau Hilde Meinradt (* 1900 in Schwedt a.O.). Im November 1922 Verlobung, vier Tage später Tod des Vaters. Weihnachten 1922 Heirat von Leo und Hilde (zwei Kinder: Hans-Joachim, * 1925, Brigitte, * 1927). Nach 1933 erheblicher Rückgang der Praxis bis schließlich um 80%, daher sogar Befreiung von der Einkommensteuer. In der Pogromnacht 1938 Plünderung von Haus und Praxis. Bis zum 15.12.1938 Internierung Leos in Sachsenhausen. Danach Verpflichtung zur zahnärztlichen Versorgung auch der Essener Juden. Rettung der Kinder am 14.12.1938 mit einem Kindertransport nach England. Erzwungener Umzug der Eltern am 27.6.1941 nach Essen, Seektstr. Deportaion am 21.7.1942 nach Theresienstadt und am 9.10.1944 nach Auschwitz. Für tot erklärte.
Hier wohnte Dr. Leo Markes…

Paul Netheim 1928 am Steuer seines Autos (vermutlich mit Kunden)
Paul Netheim 1928 am Steuer seines Autos (vermutlich mit Kunden)
Paul Netheim 1901 in Untertertia
Paul Netheim 1901 in Untertertia

Netheim, Paul (KWG Nr. 1437), geb. 4.8.1888 in Höxter, Sohn des in Godelheim geborenen Höxteraner Kaufmanns Levi Netheim und seiner Frau Helene geb. Grünewald aus Borgholz, die in ihrem Geschäft vor allem Konfektionswaren, Wäsche und Stoffe verkauften
Nach der Jüdischen Schule 1898-1906 Besuch das Gymnasium (VI-UI). Abgang mit dem Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis. Kaufmännische Ausbildung in Göttingen und Geestmünde. 1913 Eintritt in das elterliche Geschäft Ecke Westerbachstr. 14 / Rosenstr. 2. Im Ersten Weltkrieg Fahrer beim Magazin-Fuhrpark. Nach dem Tod des Vaters 1919 Übernahme des Geschäfts. 1928 Heirat mit Sophie Katz aus Ovenhausen, keine Kinder. Wohnung zunächst Charlottenstr. 2, 1934 Umzug in das dem Bruder Max gehörende Geschäftshaus Westerbachstr. 14. 1929 Wahl zum Vorsteher der Jüdischen Gemeinde, was er bis 1942 blieb. Bald nach Beginn des 3. Reiches Angebot der Häuser und Grundstücke zum Verkauf, aber Weiterführung des Geschäfts. In der Pogromnacht 1938 Verwüstung und Plünderung der Räume. Internierung bis zum 24.11.1938 in Buchenwald. Musste sich nach einer schweren Misshandlung stationär behandeln lassen. Seine Wohnung war in der Folgezeit geheimer Versammlungsort der Gemeinde. 1939 Verkauf des Hauses. 1940 Umzug zu Dr. Frankenberg, Corveyer Allee 5, im April 1942 in die „Judenwohnung“ der Familie Kaufmann, Markstr. 27. Vorsteher der jüdischen Gemeinde Höxter und im Kreis Höxter. Am 31.7.1942 Deportation mit seiner Frau Sophie und deren 1940 zugezogener Tante Rosa Schönfeld nach Theresienstadt. Am 9.10.1944 Verschleppung des Ehepaars nach Auschwitz, zum 31.12.1945 für tot erklärt.
Die Kaufmannsfamilie Netheim in Ottbergen und Höxter

Julius Neuberg 1885 in der Sexta
Julius Neuberg 1885 in der Sexta

Neuberg, Jesaias Julius (KWG Nr. 731), geb. 1.8.1875 in Höxter, Sohn des aus Peckelsheim stammenden Pferdehändlers und -schlachters Abraham Neuberg, Höxter, und der Sophie Rosenstein aus Beverungen.
Nach der Jüdischen Schule in Höxter 1884-1897 Schüler des KWG. Abgang zu einer Realschule in Berlin, wo er bei seinem Onkel Salomon wohnte. Zeitweise Rückkehr als Schlachtergeselle in das Geschäft seines Vaters nach Höxter. Nach dem Tod seiner Mutter und dem Wegzug seines Vaters etwa ab 1906 zusammen mit dem Sohn Isaias und dem Schwiegersohn seines verstorbenen Onkels als Mitinhaber Weiterführung des „Pferdehofs“ in Berlin, Lehrter Str. 12/13. 1910 Besuch in den USA. 1912 Angebot von Stallungen für 300 Pferde für das Militär. 1926 schied er aus der Firma aus. Am 25.06.1942 mit seinem Bruder Salomon, mit dem er meist zusammenwohnte, Deportation nach Theresienstadt. Dort am 19.07.1942 Selbstmord mit Veronal.
Familie Neuberg, Pferdehändler und Metzger
Stolpersteine in Berlin

Salomon Neuberg 1894 beim Abitur
Salomon Neuberg 1894 beim Abitur
Salomon Neuberg 1885 in der Sexta
Salomon Neuberg 1885 in der Sexta

Neuberg, Salomon, Dr. (KWG Nr. 809), geb. 12.9.1876 in Höxter, Sohn des aus Peckelsheim stammenden Pferdehändlers und -schlachters Abraham Neuberg, Höxter, und der Sophie Rosenstein aus Beverungen.
Nach der Jüdischen Schule Höxter 1885-1994 Schüler des KWG (VI-OI). Abgang mit dem Abitur ins Medizinstudium unter anderem in Bonn. Dort 1898 Promotion („Statistik der geburtshülflichen Station der königlichen Universitäts-Frauenklinik zu Bonn“). 1902 Niederlassung als angesehener Arzt in Berlin, wo er meist mit seinem ebenfalls unverheirateten Bruder Jesaias Julius zusammenwohnte. Am 25.06.1942 Deportation der Brüder nach Theresienstadt, wo Salomon am 18.03.1943 umkam.
Familie Neuberg, Pferdehändler und Metzger
Stolpersteine in Berlin

Der Sohn Walter Rosenberg
Der Sohn Walter Rosenberg
Die Tochter Ruth Rosenberg
Die Tochter Ruth Rosenberg

Rosenberg, Alfred (KWG Nr. 1762), geb. 10.9.1888 in Münster, Sohn des aus Coesfeld stammenden Pferdehändlers Salomon Rosenberg, Münster, und der in Weener geborenen Röschen Aron.
Nach Privatunterricht in Weener 1904-1905 Schüler des KWG (UII). Abgang als Einjährig-Freiwilliger in den Kaufmannsberuf. 1920 Heirat mit Estella Meyer aus Marburg und dort Eintritt als Teilhaber in das Kleidungsgeschäft Eichelberg Nachfahren (Bettwäsche, Tischdecken, Stickwaren u.a.), das er zusammen mit seinem Schwager Samuel Meyer bis zu Schließung am 14.10.1938 weiterführte. 1922 bzw. 1929 Geburt der Kinder Ruth und Walter. In der Pogromnacht 1938 Verwüstung des Geschäfts und Verschleppung Alfred Rosenbergs nach Buchenwald. Im Frühjahr 1939 Arisierung des Geschäfts, Umzug in ein ›Ghettohaus‹. Vergebliche Bemühungen um eine Auswanderungserlaubnis nach Argentinien. 1939 zweiter Vorsitzender der Israelitischen Gemeinde. Einsatz zur Zwangsarbeit (Erdarbeiten, Arbeiten am Friedhof der Gefallenen des Ersten Weltkriegs). Am 1.6.1942 Deportation der Familie nach Sobibor, wo seine Frau Estella mit den Kindern Ruth und Walter gleich nach der Ankunft am 3.6.1942 ermordet wurde. Alfred wurde vermutlich noch zur Zwangsarbeit eingesetzt und am 21.8.1942 in Majdanek ermordet.
Geschichtswerkstatt Marburg: Familie Rosenberg
Alfred Rosenberg – ermordet im KZ Majdanek

Hugo Speyer 1891 in Obertertia
Hugo Speyer 1891 in Obertertia

Speyer, Hugo (KWG Nr. 844), geb. 13.3.1877 in Coesfeld, Sohn des dort geborenen Kaufmanns Emanuel „Emil“ Speyer, der mit seiner aus Albaxen stammenden Frau Sophie Löwenstein und den sieben Kindern um 1880 nach Bielefeld zog und dort bis zu seinem frühen Tod 1893 eine Garderobenfabrik besaß.
Nach einer Vorschule in Bielefeld 1886-1893 Schüler des KWG. Abgang mit dem Einjährig-Freiwillligen-Zeugnis ins Bankgeschäft. Spätestens seit 1921 als Bankier und Direktor in Berlin-Schöneberg, Bamberger Str. 36, wo er 1926 eine Bankkommission für Banken und Versicherung gründete. 1938 Liquidierung der Agentur. Er wurde am 15.8.1941 nach Riga deportiert und dort nach drei Tagen am 18.8.1941 ermordet.

Hans Weinberg, Angriff mit Handgranaten, Berliner Illustrirte Zeitung, 24.10.1915
Hans Weinberg, Angriff mit Handgranaten, Berliner Illustrirte Zeitung, 24.10.1915

Weinberg, Hans (KWG Nr. 1502), geb. 2.5.1883 in Castrop, Sohn des Castroper Kaufmanns Maximilian Weinberg und der aus Werl gebürtigen Johanna Samson.
Nach der Rektoratsschule in Castrop 1899-1900 Schüler des KWG (UII). Abgang mit dem Einjährig-Freiwilligen-Zeugnis als Kunstgewerbeschüler und Bildhauerlehrling zur Malerakademie Düsseldorf. Kurzeitige Aufenthalte in Nidda (Krs Büdingen), Wiedenbrück und München, wo er ab 1905 dauerhaft wohnte und an der Akademie der Bildenden Künste eingeschrieben war. Im Ersten Weltkrieg als „Kriegsmaler im Westen“ zum Unteroffizier aufgestiegen. Danach Kunstmaler in München. Möglicherweise 1930 Herausgeber der Kunstmappe „200 Jahre freimaurische Gebrauchsgraphik“, die im Dritten Reich auf die Liste der verbotenen Bücher gesetzt wurde. Anscheinend mehrfach verheiratet, zuletzt mit der Nichtjüdin Klara Seywald (* 1891 in Traunstein). 1943 Deportation nach Auschwitz und dort zum 30.10.1943 für tot erklärt.

Fritz Ostkämper, 30.7.2019
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de