Jacob Pins Leben und Werk

Schenken

Das Wort zum Sonntag vom 10. Dezember 2005, gesprochen von Stephan Wahl (Foto)

Ein Freund von mir hat seine eigene Art, gute Geschenke zu machen: Er schaut sich in seiner Wohnung um, nimmt irgend etwas, was ihm selbst gut gefällt, verpackt und verschenkt es dann zum jeweiligen Anlass. Persönlicher kann ein Geschenk kaum sein.

Vor Jahren habe ich das auch mal probiert. Diesen Holzschnitt hier hatte ich schon mal verschenkt. Jakob Pins hat ihn gemacht, ein Künstler aus Jerusalem. Das Bild hing schon in meiner Wohnung, als ich noch Kaplan war. Meinem damaligen evangelischen Kollegen hatte es ganz besonders gut gefallen. Als er in eine andere Stadt versetzt wurde, wollte ich ihm etwas Besonderes mitgeben, habe das Bild eingepackt und ihm geschenkt.

Er hat sich riesig gefreut, aber ich habe es sehr bald doch ein bisschen bereut. Ich mochte das Bild eben auch sehr gern. Ich hab zwar mal gedacht, Du kannst es Dir beim nächsten Besuch wieder kaufen, aber das habe ich dann doch nicht getan. Verschenkt war eben verschenkt.

Viele Jahre später war ich wieder einmal bei Jakob Pins in Jerusalem, und bei diesem Besuch fragte er mich: »Sagen Sie mal, hab ich Ihnen eigentlich schon mal ein Bild geschenkt?« »Nein,« sagte ich. Ich hatte zwar schon Bilder billiger bekommen, aber geschenkt… Nein, noch nicht.
Jakob Pins verschwand in seinem Atelier und kam ausgerechnet mit diesem Bild wieder.

Heute ist es mir noch wichtiger als damals. Und der alte Spruch, dass die Freude, die man schenkt, ins eigene Herz zurückkehrt, hat für mich eine sehr lebendige Bedeutung.

Im Moment ist wieder eine ganz besondere »Geschenke-Zeit«, wie immer vor Weihnachten. Aber die wichtigsten Geschenke kann man eh nicht kaufen. Nicht für alles Geld der Welt.

Die wichtigsten Geschenke, das sind für mich Menschen – Jakob Pins zum Beispiel. Anfang der 80er Jahre habe ich ihn in Jerusalem kennen und schätzen gelernt. Damals war ich Student dort. Die Verbindung blieb, über zwanzig Jahre lang. Vor einer Woche ist er gestorben.

Seitdem muss ich besonders an ihn denken. Jakob Pins war Jude und konnte sich als junger Mann noch aus Deutschland retten. Seine Eltern sind im KZ ermordet worden. Trotz seiner schlimmen Erfahrungen suchte er immer das Gespräch mit uns jungen deutschen Studenten. Bei einem guten Kaffee und mit großem Interesse für das, was uns bewegte.

Mit seiner Kunst konnte er Unsagbares ausdrücken und festhalten. Manchmal leicht und heiter, detailgenau beobachtet – der kleine Hund hier beim tiefernsten Gespräch der beiden Gestalten… Manchmal sehr ernst. In den Schreckensbildern seiner Apokalypse warnte er vor dem Elend, das sich Menschen antun können.

Es gab noch einen, der das, was Menschen bewegte, unnachahmlich aufnehmen konnte. Mit feinsinnigem und hintergründigem Humor. Seine Kunst war das Wort. Auch er ist diese Woche von uns gegangen: Hanns Dieter Hüsch. Auch er war ein Geschenk für viele Menschen. Ein großer Kabarettist und gleichzeitig einer, der mit Leidenschaft glauben konnte. Das Schwere leicht sagen, das hat er immer geschafft. Immer wieder gibt es bei ihm Hoffnung, trotz allem was geschieht. Zum Beispiel in einem solchen Wort, angelehnt an den Psalm 31:

Ich bin vergnügt
erlöst
befreit
Gott nahm in seine Hände
meine Zeit
mein Fühlen Denken
Hören Sagen
mein Triumphieren
und Verzagen
Das Elend
und die Zärtlichkeit

Was macht dass ich so fröhlich bin
in meinem kleinen Reich
ich sing und tanze her und hin
vom Kindbett bis zur Leich

Was macht dass ich so furchtlos bin
an vielen dunklen Tagen
es kommt ein Geist in meinen Sinn
will mich durchs Leben tragen

Was macht dass ich so unbeschwert
und mich kein Trübsinn hält
weil mich mein Gott das Lachen lehrt
wohl über alle Welt

Ihnen allen einen gesegneten Dritten Advent – in der Kirche heißt er: Gaudete – freuet Euch!

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