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Funde in der Kloake – Alltagsleben 1585 bis 1784

Spuren vom Bauen und Wohnen im Adelshof

Erst die Vernetzung der Forschungen von Historikern, Archäologen, Bauhistorikern, Restauratoren und naturwissenschaftlichen Nachbarwissenschaften – unter und über der Erde – macht die Erkenntnisse zur Nutzungsgeschichte verständlich, die die Anlässe und Zeitpunkte der Bauphasen bieten.

Bauforschung unter der Erde

Die Erkenntnisse der archäologischen Untersuchungen „unter der Erde“ waren vielfältig. Beipielsweise konnte nachgewiesen werden, dass das mittelalterliche Steinwerk schon in der Bauzeit nur halb unterkellert war, mit einem balkengedeckten Keller. Auch der Einbau des Gewölbes konnte datiert werden: in die Zeit des großen Umbaus von 1582 bis 1585. Die Datierung der Fundstücke über dem Gewölbe und unter dem ornamentalen Pflaster aus Flusskiesen im Erdgeschoss des mittelalterlichen Steinbaus belegen, dass dieses Pflaster gleichzeitig mit dem Gewölbe verlegt wurde und damit zur bedeutenden Ausstattung des späten 16. Jahrhunderts gehört. Auch das Kellergewölbe unter dem Vorderhaus von Haus Nr. 35 konnte in die Zeit von 1582 bis 1585 datiert werden. Die Erbauungszeit des Steinwerkes, zu dem ein zugehöriges Fachwerk-Vorderhaus nachgewiesen wurde, konnte hingegen noch nicht endgültig geklärt werden.

Haus 35, Hinterhaus, EG, „Hofstube“: Bruchsteinfundament  eines Ofens vor der Südwand des Steinwerks, auf das Pflaster gesetzt, aufgegeben 1784, Holzkohlereste belegen die Lage  der Feuerungsöffnung
Haus 35, Hinterhaus, EG, „Hofstube“: Bruchsteinfundament eines Ofens vor der Südwand des Steinwerks, auf das Pflaster gesetzt, aufgegeben 1784, Holzkohlereste belegen die Lage der Feuerungsöffnung

Vier Kloaken – Hinterlassenschaften

Auf dem Gelände des Adelshofes wurden bislang vier „Entsorgungsanlagen“ festgestellt:
1. Eine rund gemauerte Kloake, die nordöstlich an das Steinwerk anschließt und vermutlich mit dem großen Umbau 1582 bis 1585 aufgegeben wurde, als sie mit der östlichen Erweiterung überbaut wurde. Diese Kloake ist noch nicht ausgegraben.
2. Eine rund gemauerte Kloake von ca. 1,80 m Durchmesser und 8,50 m Tiefe, die beim Umbau 1582 bis 1585 neu angelegt wurde. Diese Kloake wurde systematisch ausgegraben und das „Inventar“ ausgewertet. Koch- und Tafelgeschirr fanden sich ebenso darin wie Tierknochen, botanische Reste und Bauteile, die nicht mehr gebraucht wurden. So konnte beispielsweise aus zerbrochenen Glasscheiben und Bleistegen, die um 1600 entsorgt wurden, die Rekonstruktion der Verglasung des Fensters von 1585 (in den alten Formaten und den entsprechenden Glasqualitäten) eindeutig wiederhergestellt werden. Die Bauforschung „über der Erde“ konnte nachweisen, dass es insgesamt fünf Abortsitze im Erd- sowie im 1. und 2. Obergeschoss gab. In der Zeit von 1585 bis 1784 gab es in diesem Bereich zwischen den Häusern keine Fenster.
3. Eine rund gemauerte Kloake auf der Rückseite des Hauses Nr. 33 („Tillyhaus“) wurde bisher noch nicht untersucht. Ob sie erst mit dem bestehenden Bau 1610 errichtet wurde, ist in der Zukunft zu erforschen.
4. Ein Fachwerkanbau an der Ostseite des Vorderhauses von Haus Nr. 35, der der „Nachfolgebau“ der großen runden Kloake zwischen den Häusern Nr. 35 und Nr. 37 war (Nr.2), übernahm die Funktion der Entsorgung im Erd- und im 1. Obergeschoss. Hier gab es jedoch keinen in die Erde eingetieften Kloakenschacht. Die Hinterlassenschaften wurden vermutlich täglich auf der Miste entsorgt.

Haus 35, Hinterhaus, EG, „Hofstube“: Blick von der südlichen Giebelwand des Steinwerks auf das Mosaik-Pflaster aus Flusskiesen von 1582–1585
Haus 35, Hinterhaus, EG, „Hofstube“: Blick von der südlichen Giebelwand des Steinwerks auf das Mosaik-Pflaster aus Flusskiesen von 1582–1585

Aussagen zum Leben im Adelshof

Aus den in dem großen Kloakenschacht von 1582–1585 (Nr. 2) geschichteten Fundstücken lassen sich zahlreiche Erkenntnisse zum alltäglichen Leben ableiten: Er war mit Fäkalien, Haushaltsabfällen und Bauschutt verfüllt. Anhand der geborgenen Glas- und Keramikfunde ist eine Nutzung der Abortanlage vom späten 16. bis ins späte 18. Jahrhundert zu erschließen.
Während der etwa 200jährigen Nutzung der Abortanlage gelangten auch mehrere Zentner von im Haushalt zerbrochenem Geschirr in den Schacht. Diese Funde gestatten Einblicke in die Ausstattung der Küche und Tafel auf dem Adelshof während der Renaissance- und der Barockzeit. Sie dokumentieren ein sich wandelndes Konsumverhalten, das unter anderem in dem Aufkommen neuer Materialien, Formen und Dekore seinen Ausdruck findet. Darüber hinaus lassen sich anscheinend individuelle Vorlieben der Adelshofbewohner erkennen.
Für das 18. Jahrhundert ist ein einschneidender Wandel bei der Tischkultur zu verzeichnen. Mit dem zunehmenden Import ostasiatischen Porzellans sowie der Gründung zahlreicher Fayence-, Porzellan- und Steingutmanufakturen wurden in wohlhabenden Haushalten Gefäße aus Irdenware und Steinzeug weitgehend von der Tafel verbannt. Nach der Gründung der Manufaktur in Fürstenberg (1747) wurde das bis dahin auf dem Adelshof bevorzugte chinesische Porzellan durch einheimische Erzeugnisse ersetzt. Darüber hinaus führte der allgemein steigende Konsum von exotischen Warmgetränken (Kaffee, Tee und Schokolade) zu neuen Formen des Trink- und Schenkgeschirrs