Einzigartiges Kulturdenkmal mitten in Höxter
Forum Jacob Pins im Adelshof eingeweiht
25 Jahre dämmerte der Adelshof Heisterman von Ziehlberg an der Westerbachstraße seinem Verfall entgegen, jetzt ist er gerettet, ein einzigartiges Kulturdenkmal ist entstanden. Das Forum Jacob Pins vereinigt die Werke des aus Höxter stammenden jüdischen Künstlers Jacob Pins mit dem Architekturdenkmal des Adelshofes aus der Renaissance und ist zugleich ein Ort der Erinnerung an die ehemals in Höxter lebenden Juden, bis sie in den Konzentrationslagern der Nazis in den Tod geschickt wurden.
Dass die prachtvollen Gebäude des Adelshofes an der Westerbachstraße jetzt wieder zu neuem Leben erwacht sind, verdankt die Stadt vielen, die halfen das große Projekt zu verwirklichen, damit Höxter jetzt um eine Attraktion reicher ist.
Am Anfang stand die Stiftung von Jacob Pins. Dieser ehemalige jüdische Mitbürger aus Höxter floh 1936 18-jährig rechtzeitig vor dem sich abzeichnenden Unheil nach Palästina. Sein Vater Dr. Leo Pins hatte in Höxter eine Tierarztpraxis geführt, und seine Mutter Ida geb. Lipper hatte an der Marktstraße 12 das elterliche Geschäft übernommen. Jacob Pins besuchte das KWG bis zur Mittleren Reife, bis er wegen des sich verstärkenden Drucks abging, um sich auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten.
Dort nahm er nach Jahren der Arbeit in einem Kibbuz ein Kunststudium auf und wurde seit 1945 zu einem anerkannten Maler und Holzschneider mit zahlreiche Ausstellungen und Auszeichnungen in der ganzen Welt. 1978 wurde er zum Professor an der Bezalel Akademie für Kunst und Design in Jerusalem ernannt. Daneben machte er sich als Sammler und Kenner ostasiatischer Kunst einen Namen und veröffentlichte darüber das noch heute maßgebliche Handbuch.
Obwohl seine Eltern 1944 in Riga vom deutschen Naziregime ermordet wurden, nahm Jacob Pins den Kontakt zu seiner Geburtsstadt wieder auf. 1988 besuchte er die Ausstellung „Juden in Höxter“ anlässlich des 50. Jahrestages der Pogromnacht und entdeckte auf einem der Fotos seinen Vater bei der Deportation. In der Folgezeit entwickelten sich immer engere Freundschaften nach Höxter.
Als Zeichen der Versöhnung stiftete Jacob Pins 2002 einen Großteil seines künstlerischen Nachlasses seiner Geburtsstadt, die ihm 2003 die Ehrenbürgerwürde verlieh, nachdem er bereits vorher Ehrenbürger von Jerusalem geworden war. Jacob Pins starb am 4. Dezember 2005 in Jerusalem.
Mit der Stiftung von Jacob Pins übernahmen die Stadt Höxter und ihre Bürger zugleich die Verpflichtung, an alle früheren jüdischen Bürger der Stadt und vor allem an die in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches ermordeten Höxteraner Juden zu erinnern. Rund 400 Jahre waren sie in Höxter nur als Einwohner minderer Rechte geduldet gewesen, und erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts waren sie allmählich als gleichberechtigte Bürger anerkannt worden. Als Kaufleute, Viehhändler, Ärzte, Tierärzte usw. lebten sie mitten in Höxter, ebenso geschätzt wie ihre evangelischen oder katholischen Mitbürger. Noch heute erinnern sich ältere Höxteraner an das Kaufhaus Löwenstein, an den Arzt Dr. Frankenberg oder an die Viehhändler Dillenberg.
Mit dem Jahr 1933 änderte sich alles. Zunehmend wurden die Juden auch in Höxter aus ihrem Leben verdrängt, aus ihren Geschäften und Berufen vertrieben, verhöhnt und drangsaliert. Ebenso wie Jacob Pins und sein Bruder Rudi flohen viele ins Exil nach Palästina, Südamerika, in die USA oder wo man sonst bereit war, sie aufzunehmen. Andere konnten sich nicht vorstellen, welches Schicksal ihnen die Nazis bereiteten oder entschlossen sich zu spät zur Flucht. 1941/42 wurden alle 46 noch in der Stadt Höxter lebenden Juden deportiert, nach Riga, Warschau, Theresienstadt, wo bereits viele umkamen. Die übrigen trieb man in die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor oder Treblinka. Nur einer der aus der Stadt Höxter deportierten Juden überlebte den Holocaust.
Um Jacob Pins’ Verpflichtung zu erfüllen und für seine umfangreiche Stiftung – sie umfasst rund 80 Gemälde, über 470 Holzschnitte und dazu zahllose Aquarelle, Zeichnungen, Skizzen, Entwürfe und vieles andere – einen würdigen Ort zu finden und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gründete sich Anfang 2003 die Jacob Pins Gesellschaft – Kunstverein Höxter. Was hätte besser als Ausstellungsort geeignet sein können als der Adelshof Heisterman von Ziehlberg an der Westerbachstraße, dessen Restaurierung die Architektin Cornelia Lange vorbereitete?
Die Baugeschichte des Adelshofes reicht bis ins 13. Jahrhundert zurück. In seinem Kern aus der Renaissance stammend, bietet er neben der umfangreich erhaltenen Bausubstanz, der Ausstattung und den Oberflächen in seinen prägenden Umbauten vor allem des 16. und 17. Jahrhundert zugleich auch Einblicke in die Wohnkultur und die Wohnvorstellungen einer adligen Familie vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
Bis zu seiner Restaurierung war es jedoch ein weiter Weg. Vor allem mussten die finanziellen Mittel aufgebracht werden. Große Teile des Adelshofes sollten als Wohnungen erstellt werden, aber weit über eine Million Euro musste die Jacob Pins Gesellschaft für ihren Teil des Adelshofes beisammen bekommen, damit das große Projekt, der Traum, Wirklichkeit werden konnte. Aber dank vieler Anstrengungen, Anträge und Gespräche gelang es.
Das NRW-Projekt stellte ganz kurzfristig 700.000 Euro bereit, unter der Bedingung, dass die Jacob Pins Gesellschaft selbst 300.000 Euro aufbringen könnte. Und dank der großen Spendenbereitschaft der Bürger Höxters und anderer kam auch diese Summe binnen weniger Monate zusammen. Weitere 200.000 Euro steuerte die NRW-Stiftung aus Lotteriegeldern bei. So konnte im Mai 2005 in Anwesenheit des damaligen Bauminister Michael Vesper der symbolische Grundstein gesetzt werden.
Nach fast zweijähriger Bauzeit fand am 4./5. April dieses Jahres die feierliche Eröffnung des Forums Jacob Pins statt. Aus Israel waren die Witwe Elsa Pins und die Cousine Margot Pins mit ihren Kindern angereist, aus New York der Bruder Rudy Pins, aus Brasilien Louis Frankenberg, ein Großneffe des Höxteraner jüdischen Arztes Dr. Richard Frankenberg, und dazu viele Gäste aus Deutschland.
Seit gut einem halben Jahr steht nun ein Schmuckstück dort, wo es jahrzehntelang einen Schandfleck mitten in Höxter gab. Der Adelshof ist dem Vergessen entrissen, die Werke von Jacob Pins werden in halbjährlichem Wechsel der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die Erinnerung an die Juden Höxters wird wachgehalten.
Fritz Ostkämper, Omnibus, Dez. 2008