Jüdische Bürger in Höxter

Jacob Nordhaus, erster Lehrer der Israelitischen Elementarschule in Höxter

Nur wenige Jahre, von 1834 bis 1838, tritt der Name Nordhaus in Höxter auf, wo sonst keine jüdische Familie dieses Namens verzeichnet ist. Aber Jacob Nordhaus (1815–1903) war der erste Lehrer der hier gerade erst eingerichteten jüdischen Elementarschule im Gebäude der 1834 an der Nagelschmiedstraße errichteten Synagoge.

Zurückgehend unter anderem auf den jüdischen Aufklärer Moses Mendelssohn und vor allem Christian Konrad Wilhelm von Dohms Schrift zur Judenemanzipation Über die bürgerliche Verbesserung der Juden von 1781 und im Zuge ihrer Emanzipation entwickelte sich unter den Juden immer mehr das Bedürfnis zur Teilhabe an der allgemeinen Entwicklung von Bildung und Wissenschaft, wozu auch die verbesserte schulische und sonstige Erziehung der Kinder gehörte. Auch die allmähliche Durchsetzung der Schulpflicht förderte bei den Juden den Wunsch nach eigenen stattlich anerkannten Schulen, weil ihre Kinder sonst (zumeist) christliche Schulen besuchen mussten.

Ein Ergebnis dieser Entwicklung war die Gründung eines „Vereins zur Beförderung von Handwerken unter den Juden und zur Errichtung einer Schulanstalt, worin arme und verwaisete Kinder unterrichtet und künftige jüdische Schullehrer gebildet werden sollen“, der in den 1820er Jahren von Alexander Haindorf und Elias Marks ins Leben gerufen und in der Folgezeit in die Marks-Haindorf-Stiftung umgewandelt wurde. Auch die Höxteraner Juden förderten diese Stiftung mit Spenden.

Anzeige über das bestandene Examen im Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Minden, 12.9.1834
Anzeige über das bestandene Examen im Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Minden, 12.9.1834

An dieser Haindorfschen Anstalt in Münster absolvierte auch der im sauerländischen Neheim (heute Ortsteil von Arnsberg) als Sohn eines Viehhändlers geborene Jacob Nordhaus seine Präparandenzeit zum israelitischen Elementarlehrer, eine Ausbildung, die noch neu war, denn bis dahin genügte die Ausbildung bei einem Rabbiner, um als jüdischer (Religions-)Lehrer an einer jüdischen Schule zu unterrichten. Im August 1834 legte Nordhaus am Seminar in Soest die Prüfung ab und wurde vom Königlichen Provinzial-Schul-Collegium in Münster für „wählbar zum Schulamte erklärt“.

Schreiben des Magistrats an die übergordneten Behörden
Schreiben des Magistrats an die übergordneten Behörden

Im jungen Alter von 19 Jahren bewarb er sich dann an der neuen Schule in Höxter, und im selben oder im folgenden Jahr 1835 wurde ein entsprechender Anstellungsvertrag mit der jüdischen Gemeinde in Höxter geschlossen, die für Wohnung und Gehalt aufzukommen hatte. Der Magistrat der Stadt genehmigte die Anstellung und leitete die Unterlagen an den Landrat weiter.

Jacob Nordhaus blieb nur wenige Jahre in Höxter, und sein Weggang hatte vermutlich finanzielle Gründe, denn im Dezember 1835 bat die jüdische Gemeinde den Magistrat um eine Bezuschussung: „Die Gemeinde hat jetzt, um einen zweckmäßigen Religions Unterricht für die Kinder zu erhalten, u. damit den Unterricht in den Elementar=Wissenschaften zu verbinden, […] einen in Münster gebildeten u. zu Soest approbirten Lehrer angestellt. Diesem muß sie, weil solche israelitische Lehrer noch selten sind u. sehr gesucht werden, jährlich 70 Rthlr Gehalt u. freie Beköstigung geben, und außerdem noch ein Schullocal nebst der Heitzung anschaffen.“

Die Stadt lehnte den Antrag auf eine Mietentschädigung, freies Brennholz und Schulgeld für arme Kinder jedoch mit der Begründung ab, die Juden hätten „als geduldete Einwohner in unseren Staaten keinen Anspruch“ auf eine solche Unterstützung; es sei „lediglich Ihre Sache Ihren Lehrer zu bestellen, zu besolden und ein Local zum Unterrichte zu bestellen.“

Sei es, dass die Kosten für die jüdische Gemeinde zu hoch wurden, sei es, dass Jacob Nordhaus an anderen Orten mehr geboten wurde: Nur bis 1838 blieb er noch in Höxter und wechselte dann zur jüdischen Schule in Beverungen, wo die dortige fast doppelt so große Judenschaft ihm sicher mehr bieten konnte. Über die Jahre an der jüdischen Schule in Beverungen ist jedoch nichts bekannt.

In Beverungen, wo er fast 20 Jahre blieb, heiratete er die aus Bleckede (Landkreis Lüneburg) stammende Mariana/Mina Benjamin (* um 1832). Drei Töchter wurden in Beverungen geboren, als älteste Fanni (1853–1882), die später mit ihrem Mann Aaron Schutz in Amerika lebte und dort Nachkommen hatte, dann Adele (1854–1919), die 1874 in New York den aus Bad Homburg stammenden Karl/Charles Ilfeld heiratete und eine große Nachkommenschaft hervorbrachte. Ob auch die dritte, ebenfalls in die USA emigrierte Tochter Emma (1855-1889) mit ihrem Schwager Noa Ilfeld Kinder hatte, ist nicht bekannt.

Charles und Noa Ilfeld (sitzend v.l.n.r.) und Adele Ilfeld geb. Nordhaus
Charles und Noa Ilfeld (sitzend v.l.n.r.) und Adele Ilfeld geb. Nordhaus

Auch in Beverungen kam es offenbar zu Problemen, wie ein Prozess belegt, den Jacob Nordhaus wegen der Gehaltszahlung gegen die dortige jüdische Gemeinde führte. Schließlich verließ er Beverungen und zog mit seiner Familie nach Paderborn, wo er 1857 zum Lehrer der dortigen jüdischen Schule und Kantor der Synagoge ernannt wurde. In diesen Jahren verstarb seine Frau Mariana, und Jacob Nordhaus heiratete ihre zehn Jahre jüngere Schwester Elise Benjamin (1843–1911). Mit ihr hatte er den Sohn Max (1865–1936), der 1883 mit seiner aus Lügde stammenden Frau Elise Staab nach Las Vegas auswanderte und dort in die Firma seines Schwagers Charles Ilfeld einstieg.

Links: Umschlag eines Briefes Charles Ilfelds an seinen Schwiegervater. Rechts: Max Nordhaus
Links: Umschlag eines Briefes Charles Ilfelds an seinen Schwiegervater. Rechts: Max Nordhaus

Die Eltern blieben in Paderborn, wo 1881 eine neue Synagoge und das benachbarte Schul- und Wohnhaus für den Lehrer gebaut wurden und wo heute ein Mahnmal an die Paderborner Juden erinnert. Jacob Nordhaus’ zweite Frau Elise trat zumindest zeitweise als Lehrerin ein. Auch ihre weiteren Jahre verbrachten Jacob und Elise Nordhaus in Paderborn, wo Jacob am 1903 starb und ebenso wie seine 1911 verstorbene Frau Elise auf dem jüdischen Friedhof begraben wurde.

Links: Die Synagoge und das Lehrerhaus in Paderborn von 1881 • Rechts Jacob Nordhaus
Links: Die Synagoge und das Lehrerhaus in Paderborn von 1881 • Rechts Jacob Nordhaus
Fritz Ostkämper, 10.2.2016
e-mail: ostkaemper@jacob-pins.de